Versteigerung eines als Kreditsicherheit dienenden Eigenheims bei missbräuchlicher Klausel in Bank-AGB
EuGH v. 13.2.2025 - C-472/23
Der Sachverhalt:
Das beklagte Paar nahm bei einer Bank in der Slowakei einen Kredit i.H.v. 63.000 € in Anspruch. Dieser war in mtl. Raten bis Januar 2030 zurückzuzahlen. Nach einer Klausel in den AGB konnte die Bank bei Zahlungsverzug sofort die vollständige Rückzahlung der ausstehenden Beträge verlangen, die durch eine Hypothek am Familienheim dieser Verbraucher gesichert waren.
Die Beklagten gerieten in der Folge mit der Zahlung in Verzug. Daraufhin betrieb die Bank die Zwangsvollstreckung aus dieser hypothekarischen Sicherheit im Rahmen einer außergerichtlichen Versteigerung. Hiergegen erhoben die Beklagten Klage, mit der sie eine Verletzung ihrer Verbraucherrechte durch die Bank geltend machten. Noch während der im Rahmen dieser Klage gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus der hypothekarischen Sicherheit anhängig war, wurde das Familienheim im Wege der Versteigerung an die klagende Gesellschaft verkauft. Der Versteigerer und die Klägerin wussten zum Zeitpunkt der Versteigerung, dass ein Gerichtsverfahren gegen die Zwangsvollstreckung lief. Nachdem die Beklagten sich weigerten, das Haus freizugeben, erhob die Klägerin Räumungsklage. Daraufhin erhoben die Beklagten Widerklage, mit der sie der Rechtmäßigkeit der Übertragung des Eigentums an der Immobilie entgegentraten und eine Verletzung ihrer Verbraucherrechte sowie ihres Rechts auf Achtung der Wohnung geltend machten.
Das mit der Sache befasste slowakische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es möchte wissen, ob die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in einem solchen gerichtlichen Verfahren anwendbar ist. Es möchte auch wissen, ob diese Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die die außergerichtliche Zwangsvollstreckung aus einer hypothekarischen Sicherheit zulässt, obwohl ein Antrag auf Aussetzung gestellt wurde, der auf eine möglicherweise missbräuchliche Klausel in dem Darlehensvertrag gestützt wird.
Die Gründe:
Die Beklagten können sich vorliegend auf die in der Richtlinie vorgesehenen Schutzmechanismen berufen.
Dies folgt aus dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, den Umständen, unter denen das Eigentum an der streitigen Immobilie übertragen wurde (die Darlehensnehmer sind im Rahmen des außergerichtlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht untätig geblieben), und übereinstimmenden Anhaltspunkten für das Vorliegen einer potenziell missbräuchlichen Klausel in dem Vertrag, auf dessen Grundlage die Zwangsvollstreckung betrieben wurde. Die Beklagten hatten hier von den im slowakischen Recht vorgesehenen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, um dieser Vollstreckung entgegenzutreten, und gleichzeitig die in die Vollstreckung involvierten Personen über ihr Vorgehen informiert.
Demzufolge wirkt der Schutz der Rechtssicherheit der bereits erfolgten Eigentumsübertragung auf einen Dritten im vorliegenden Fall nicht als absoluter Schutz, der der Anwendung der Richtlinie entgegenstünde; die Richtlinie ist mithin in dem gerichtlichen Verfahren vor dem slowakischen Gericht anwendbar.
Im Übrigen verstößt eine nationale Regelung, die eine außergerichtliche Zwangsvollstreckung aus einer hypothekarischen Sicherheit an einem Familienheim zulässt, obwohl ein Aussetzungsantrag anhängig ist und übereinstimmende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Vollstreckung auf der Grundlage einer missbräuchlichen Vertragsklausel betrieben wird, gegen das Unionsrecht. Dies gilt umso mehr, wenn die betreffenden Rechtsvorschriften nicht die Möglichkeit vorsehen, im Rahmen eines Verfahrens nach der Zwangsvollstreckung deren Nichtigerklärung wegen des Vorhandenseins einer solchen Klausel auf dem Rechtsweg zu erwirken.
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EuGH PM Nr. 74 vom 24.6.2025
Das beklagte Paar nahm bei einer Bank in der Slowakei einen Kredit i.H.v. 63.000 € in Anspruch. Dieser war in mtl. Raten bis Januar 2030 zurückzuzahlen. Nach einer Klausel in den AGB konnte die Bank bei Zahlungsverzug sofort die vollständige Rückzahlung der ausstehenden Beträge verlangen, die durch eine Hypothek am Familienheim dieser Verbraucher gesichert waren.
Die Beklagten gerieten in der Folge mit der Zahlung in Verzug. Daraufhin betrieb die Bank die Zwangsvollstreckung aus dieser hypothekarischen Sicherheit im Rahmen einer außergerichtlichen Versteigerung. Hiergegen erhoben die Beklagten Klage, mit der sie eine Verletzung ihrer Verbraucherrechte durch die Bank geltend machten. Noch während der im Rahmen dieser Klage gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus der hypothekarischen Sicherheit anhängig war, wurde das Familienheim im Wege der Versteigerung an die klagende Gesellschaft verkauft. Der Versteigerer und die Klägerin wussten zum Zeitpunkt der Versteigerung, dass ein Gerichtsverfahren gegen die Zwangsvollstreckung lief. Nachdem die Beklagten sich weigerten, das Haus freizugeben, erhob die Klägerin Räumungsklage. Daraufhin erhoben die Beklagten Widerklage, mit der sie der Rechtmäßigkeit der Übertragung des Eigentums an der Immobilie entgegentraten und eine Verletzung ihrer Verbraucherrechte sowie ihres Rechts auf Achtung der Wohnung geltend machten.
Das mit der Sache befasste slowakische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es möchte wissen, ob die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in einem solchen gerichtlichen Verfahren anwendbar ist. Es möchte auch wissen, ob diese Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die die außergerichtliche Zwangsvollstreckung aus einer hypothekarischen Sicherheit zulässt, obwohl ein Antrag auf Aussetzung gestellt wurde, der auf eine möglicherweise missbräuchliche Klausel in dem Darlehensvertrag gestützt wird.
Die Gründe:
Die Beklagten können sich vorliegend auf die in der Richtlinie vorgesehenen Schutzmechanismen berufen.
Dies folgt aus dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, den Umständen, unter denen das Eigentum an der streitigen Immobilie übertragen wurde (die Darlehensnehmer sind im Rahmen des außergerichtlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht untätig geblieben), und übereinstimmenden Anhaltspunkten für das Vorliegen einer potenziell missbräuchlichen Klausel in dem Vertrag, auf dessen Grundlage die Zwangsvollstreckung betrieben wurde. Die Beklagten hatten hier von den im slowakischen Recht vorgesehenen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, um dieser Vollstreckung entgegenzutreten, und gleichzeitig die in die Vollstreckung involvierten Personen über ihr Vorgehen informiert.
Demzufolge wirkt der Schutz der Rechtssicherheit der bereits erfolgten Eigentumsübertragung auf einen Dritten im vorliegenden Fall nicht als absoluter Schutz, der der Anwendung der Richtlinie entgegenstünde; die Richtlinie ist mithin in dem gerichtlichen Verfahren vor dem slowakischen Gericht anwendbar.
Im Übrigen verstößt eine nationale Regelung, die eine außergerichtliche Zwangsvollstreckung aus einer hypothekarischen Sicherheit an einem Familienheim zulässt, obwohl ein Aussetzungsantrag anhängig ist und übereinstimmende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Vollstreckung auf der Grundlage einer missbräuchlichen Vertragsklausel betrieben wird, gegen das Unionsrecht. Dies gilt umso mehr, wenn die betreffenden Rechtsvorschriften nicht die Möglichkeit vorsehen, im Rahmen eines Verfahrens nach der Zwangsvollstreckung deren Nichtigerklärung wegen des Vorhandenseins einer solchen Klausel auf dem Rechtsweg zu erwirken.
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