Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf einer Immobilie unter Ex-Partnern
OLG Schleswig-Holstein v. 2.7.2025 - 9 U 31/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien, die vormals in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebten, streiten um die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf einer Immobilie. Am 4.5.2021 ließen die Parteien einen Partnerschaftsvertrag notariell beurkunden. In ihrer Präambel enthält die Urkunde u.a. folgende Passagen:
"Zur Zeit befindet sich bereits das Haus, belegen in, im Eigentum der Erschienen zu 1) [= die Beklagte]. Dieses ist durch die Erschienene zu 1) finanziert. Das Haus wird ständig durch beide modernisiert. Es verbleiben zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Restverbindlichkeiten von ca. 160.000,00 Euro. Es ist angedacht, die vorliegende Immobilie in, zu veräußern.
Vereinbart zwischen den Parteien ist dann ausdrücklich, dass die Verbindlichkeiten der Kreditkonten von Frau (Schwäbisch Hall, Easy Kredit, Vorfälligkeit) getilgt werden bei der Volksbank und das der dann übrig gebliebene Veräußerungserlös hälftig zwischen beiden geteilt wird.
Das auf dem Konto befindliche Guthaben, wird einen Tag vor dem Stichtag der Einzahlung des Veräußerungsgewinns zur Hälfte an die Erschienene zu 1) auf das Konto der Volksbank eG umgebucht.
In wirtschaftlicher Hinsicht steht das Konto dem Erschienenen zu 2) [= der Kläger] nach der Umbuchung und der Einzahlung des Veräußerungsgewinn allein zu."
Der Wert der Urkunde wurde von den Parteien mit 50.000 € angegeben. Ende des Jahres 2021 trennten sich die Parteien. Die Beklagte veräußerte im Jahr 2022 die in der Präambel genannte und in ihrem alleinigen Eigentum stehende Immobilie zu einem Kaufpreis von 437.000 €. Der Kläger behauptet, der von ihm als Zeuge benannte Notar Kasten habe von den Parteien den Auftrag erhalten, die zwischen den Parteien bereits ausgehandelten Konditionen des baldigen Hausverkaufs schriftlich zu fixieren und interessengerecht zu beurkunden. Die Parteien seien damit einverstanden gewesen, dass der Notar die Regelung über den Hausverkauf in der Präambel festgelegt habe.
Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an ihn rd. 154.000 € zzgl. Zinsen zu zahlen. Die Beklagte berief sich darauf, dass in der Präambel nichts vereinbart worden sei; dort sei allenfalls nur Besprochenes wiederholt worden. Im Übrigen sei der Vertrag nach § 134 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Gläubigerbenachteiligung nichtig; zudem habe der Kläger sie unter Druck gesetzt. Hilfsweise erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit Gegenansprüchen i.H.v. rd. 24.000 €. Der Kläger habe im Jahr 2021 in dieser Höhe mit der ihm für den Fall, dass ihr etwas zustoßen sollte, überlassenen EC-Karte Verfügungen über das Privatkonto der Beklagten vorgenommen, die mit ihr weder besprochen noch von ihr genehmigt worden seien.
Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers gab das OLG der Klage überwiegend statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von rd. 130.000 € nebst Rechtshängigkeitszinsen. Im Übrigen ist der klageweise geltend gemachte Anspruch durch Aufrechnung mit Gegenforderungen der Beklagten erloschen.
Entgegen der Auffassung des LG steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des hälftigen Erlöses aus der Veräußerung der Immobilie, abzgl. der getilgten Verbindlichkeiten und Kosten, aus dem notariell beurkundeten Partnerschaftsvertrag zu. Der von den Parteien gewählte Wortlaut einer Vereinbarung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille bilden den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung. Dem Wortlaut des dritten Absatzes in der Präambel ("vereinbart ist ausdrücklich") lässt sich ohne Weiteres eine verbindliche Einigung der Parteien mit Regelungsgehalt entnehmen, die alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält. Für eine regelnde Vereinbarung spricht auch, dass die Parteien zugleich die Einzelheiten der Abwicklung festgelegt haben, indem sie Vereinbarungen über die Zuordnung der Bankkonten getroffen haben. Dass der Veräußerungserlös zum Zeitpunkt der Beurkundung noch nicht feststand, ist unerheblich, da jedenfalls, was ausreichend ist, die von der Beklagten geschuldete Leistung bestimmbar ist.
§ 2 des Partnerschaftsvertrags, wonach die Parteien den Wert der Urkunde mit 50.000 € bemessen haben, steht einer verbindlichen Vereinbarung über die hälftige Verteilung des Veräußerungserlöses nicht entgegen. Aus der Anhörung der Parteien vor dem Senat ging hervor, dass sie sich darüber keine Gedanken gemacht haben. Eine den Wortlaut der Klausel in der Präambel vollständig verdrängende Auslegung lässt sich daraus nicht ableiten. Die in Teilen für einen notariellen Vertrag ungewöhnlichen Formulierungen und die im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Bedeutung überraschende Verortung der Klausel in der Präambel stehen dieser Auslegung ebenso wenig entgegen.
Daraus, dass nach ständiger BGH-Rechtsprechung selbst ein vermeintlich klarer und eindeutiger Wortlaut der Erklärung keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände bildet, ergibt sich nichts Anderes. Zwar lassen, wovon auch das LG ausgegangen ist, der Wortlaut und der Gesamtzusammenhang der Urkunde auch eine Deutung zu, nach der es sich dabei nicht um eine regelnde Vereinbarung, sondern um einen Hinweis auf eine außerhalb der Urkunde getroffene Vereinbarung handelt. Für eine anderweitig getroffene Vereinbarung, auf die die Präambel Bezug nimmt, fehlt es aber an jedem Anhaltspunkt. Der Vertrag ist auch nicht nichtig. Eine Nichtigkeit nach § 125 Satz 1 BGB scheidet aus, ebenso wenig ist die Vereinbarung nach § 134 oder § 142 BGB nichtig. Und schließlich liegen auch die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nicht vor.
Der substantiierten Berechnung des Klägers in der Klageschrift zur Berechnung des ihm zustehenden Anteils an dem Veräußerungserlös ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Daher sind von dem Verkaufspreis Zahlungen an die Banken (rd. 78.000 € und rd. 35.000 €) sowie die Maklerkosten (rd. 16.000 €) abzuziehen. Danach bleibt ein zu verteilender Nettoerlös von rd. 308.000 €; dem Kläger steht davon die Hälfte zu, also ein Betrag von rd. 154.00 €. Der Anspruch des Klägers ist infolge der Hilfsaufrechnung der Beklagten i.H.v. rd. 24.000 € erloschen (§ 389 BGB). Die fälligen und einredefreien Gegenansprüche der Beklagten (§§ 387, 390 BGB) folgen aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem der Überlassung der EC-Karte an den Kläger zugrundeliegenden Rechtsverhältnis. Der durch Vorlage der Kontoauszüge substantiierten Behauptung der Beklagten, wonach es sich bei den Verfügungen um nicht mit der Beklagten abgestimmte und von ihr nicht genehmigte Verfügungen über ihr Konto gehandelt habe, ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Damit hat der Kläger die sich aus der Überlassung der EC-Karte an ihn ergebenden Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt.
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Die Parteien, die vormals in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebten, streiten um die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf einer Immobilie. Am 4.5.2021 ließen die Parteien einen Partnerschaftsvertrag notariell beurkunden. In ihrer Präambel enthält die Urkunde u.a. folgende Passagen:
"Zur Zeit befindet sich bereits das Haus, belegen in, im Eigentum der Erschienen zu 1) [= die Beklagte]. Dieses ist durch die Erschienene zu 1) finanziert. Das Haus wird ständig durch beide modernisiert. Es verbleiben zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Restverbindlichkeiten von ca. 160.000,00 Euro. Es ist angedacht, die vorliegende Immobilie in, zu veräußern.
Vereinbart zwischen den Parteien ist dann ausdrücklich, dass die Verbindlichkeiten der Kreditkonten von Frau (Schwäbisch Hall, Easy Kredit, Vorfälligkeit) getilgt werden bei der Volksbank und das der dann übrig gebliebene Veräußerungserlös hälftig zwischen beiden geteilt wird.
Das auf dem Konto befindliche Guthaben, wird einen Tag vor dem Stichtag der Einzahlung des Veräußerungsgewinns zur Hälfte an die Erschienene zu 1) auf das Konto der Volksbank eG umgebucht.
In wirtschaftlicher Hinsicht steht das Konto dem Erschienenen zu 2) [= der Kläger] nach der Umbuchung und der Einzahlung des Veräußerungsgewinn allein zu."
Der Wert der Urkunde wurde von den Parteien mit 50.000 € angegeben. Ende des Jahres 2021 trennten sich die Parteien. Die Beklagte veräußerte im Jahr 2022 die in der Präambel genannte und in ihrem alleinigen Eigentum stehende Immobilie zu einem Kaufpreis von 437.000 €. Der Kläger behauptet, der von ihm als Zeuge benannte Notar Kasten habe von den Parteien den Auftrag erhalten, die zwischen den Parteien bereits ausgehandelten Konditionen des baldigen Hausverkaufs schriftlich zu fixieren und interessengerecht zu beurkunden. Die Parteien seien damit einverstanden gewesen, dass der Notar die Regelung über den Hausverkauf in der Präambel festgelegt habe.
Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an ihn rd. 154.000 € zzgl. Zinsen zu zahlen. Die Beklagte berief sich darauf, dass in der Präambel nichts vereinbart worden sei; dort sei allenfalls nur Besprochenes wiederholt worden. Im Übrigen sei der Vertrag nach § 134 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Gläubigerbenachteiligung nichtig; zudem habe der Kläger sie unter Druck gesetzt. Hilfsweise erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit Gegenansprüchen i.H.v. rd. 24.000 €. Der Kläger habe im Jahr 2021 in dieser Höhe mit der ihm für den Fall, dass ihr etwas zustoßen sollte, überlassenen EC-Karte Verfügungen über das Privatkonto der Beklagten vorgenommen, die mit ihr weder besprochen noch von ihr genehmigt worden seien.
Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers gab das OLG der Klage überwiegend statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von rd. 130.000 € nebst Rechtshängigkeitszinsen. Im Übrigen ist der klageweise geltend gemachte Anspruch durch Aufrechnung mit Gegenforderungen der Beklagten erloschen.
Entgegen der Auffassung des LG steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des hälftigen Erlöses aus der Veräußerung der Immobilie, abzgl. der getilgten Verbindlichkeiten und Kosten, aus dem notariell beurkundeten Partnerschaftsvertrag zu. Der von den Parteien gewählte Wortlaut einer Vereinbarung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille bilden den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung. Dem Wortlaut des dritten Absatzes in der Präambel ("vereinbart ist ausdrücklich") lässt sich ohne Weiteres eine verbindliche Einigung der Parteien mit Regelungsgehalt entnehmen, die alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält. Für eine regelnde Vereinbarung spricht auch, dass die Parteien zugleich die Einzelheiten der Abwicklung festgelegt haben, indem sie Vereinbarungen über die Zuordnung der Bankkonten getroffen haben. Dass der Veräußerungserlös zum Zeitpunkt der Beurkundung noch nicht feststand, ist unerheblich, da jedenfalls, was ausreichend ist, die von der Beklagten geschuldete Leistung bestimmbar ist.
§ 2 des Partnerschaftsvertrags, wonach die Parteien den Wert der Urkunde mit 50.000 € bemessen haben, steht einer verbindlichen Vereinbarung über die hälftige Verteilung des Veräußerungserlöses nicht entgegen. Aus der Anhörung der Parteien vor dem Senat ging hervor, dass sie sich darüber keine Gedanken gemacht haben. Eine den Wortlaut der Klausel in der Präambel vollständig verdrängende Auslegung lässt sich daraus nicht ableiten. Die in Teilen für einen notariellen Vertrag ungewöhnlichen Formulierungen und die im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Bedeutung überraschende Verortung der Klausel in der Präambel stehen dieser Auslegung ebenso wenig entgegen.
Daraus, dass nach ständiger BGH-Rechtsprechung selbst ein vermeintlich klarer und eindeutiger Wortlaut der Erklärung keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände bildet, ergibt sich nichts Anderes. Zwar lassen, wovon auch das LG ausgegangen ist, der Wortlaut und der Gesamtzusammenhang der Urkunde auch eine Deutung zu, nach der es sich dabei nicht um eine regelnde Vereinbarung, sondern um einen Hinweis auf eine außerhalb der Urkunde getroffene Vereinbarung handelt. Für eine anderweitig getroffene Vereinbarung, auf die die Präambel Bezug nimmt, fehlt es aber an jedem Anhaltspunkt. Der Vertrag ist auch nicht nichtig. Eine Nichtigkeit nach § 125 Satz 1 BGB scheidet aus, ebenso wenig ist die Vereinbarung nach § 134 oder § 142 BGB nichtig. Und schließlich liegen auch die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nicht vor.
Der substantiierten Berechnung des Klägers in der Klageschrift zur Berechnung des ihm zustehenden Anteils an dem Veräußerungserlös ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Daher sind von dem Verkaufspreis Zahlungen an die Banken (rd. 78.000 € und rd. 35.000 €) sowie die Maklerkosten (rd. 16.000 €) abzuziehen. Danach bleibt ein zu verteilender Nettoerlös von rd. 308.000 €; dem Kläger steht davon die Hälfte zu, also ein Betrag von rd. 154.00 €. Der Anspruch des Klägers ist infolge der Hilfsaufrechnung der Beklagten i.H.v. rd. 24.000 € erloschen (§ 389 BGB). Die fälligen und einredefreien Gegenansprüche der Beklagten (§§ 387, 390 BGB) folgen aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem der Überlassung der EC-Karte an den Kläger zugrundeliegenden Rechtsverhältnis. Der durch Vorlage der Kontoauszüge substantiierten Behauptung der Beklagten, wonach es sich bei den Verfügungen um nicht mit der Beklagten abgestimmte und von ihr nicht genehmigte Verfügungen über ihr Konto gehandelt habe, ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Damit hat der Kläger die sich aus der Überlassung der EC-Karte an ihn ergebenden Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt.
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