06.05.2025

Verweigerte Besichtigung durch Mieterin stellt nicht zwangsläufig einen Kündigungsgrund dar

Zwar ist die Kündigung in Fällen der verweigerten Besichtigung keine ultima ratio, die zunächst eine gerichtliche Geltendmachung des Duldungsanspruchs voraussetzt. Die Pflichtverletzung in Form der verweigerten Besichtigung muss jedoch eine hinreichende Schwere aufweisen, an der es umso eher fehlen kann, je geringfügiger der sachliche Grund für die Besichtigung ausfällt.

LG München I v. 7.2.2025 - 14 S 10625/23
Der Sachverhalt:
Die 84-jährige Beklagte wohnt seit 1979 in einer 2-Zimmer-Wohnung, die mittlerweile der Klägerin gehört. Am 29.3.2022 wandte sich erstmals eine Nachbarin an die Hausverwaltung der Klägerin mit dem Hinweis, dass aus der Wohnung der Beklagten starker Urin- und Modergeruch dringe. Vorrangig hatte diese sich allerdings über das Verhalten des Sohnes der Mieterin nach einer Begegnung im Treppenhaus beklagt.

Daraufhin schlug die Klägerin der Beklagten drei Besichtigungstermine vor. Dieses Schreiben sandte die Beklagte geöffnet zurück. Die Klägerin begehrte nochmals mit zwei weiteren Schreiben, die sie zugleich als Abmahnung bezeichnete, jeweils unter Nennung von drei Terminvorschlägen Zutritt. Auch diese schickte die Beklagte geöffnet und ohne weitere Reaktion zurück. Hierauf sprach die Klägerin mit Schreiben vom 15.6.2022 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und dabei im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass eine wirksame Kündigung des langjährigen Mietverhältnisses nicht erfolgt sei.

Das AG hat der Räumungsklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Es war weder die fristlose noch die ordentliche Kündigung vom 15.6.2022 als wirksam zu erachten. Ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe besteht nicht. Die Voraussetzungen der §§ 543 Abs. 1, 573 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BGB lagen nicht vor.

Es lag nur eine vereinzelte Beschwerde einer einzigen Mitbewohnerin vor, die sich zudem vorrangig über das Verhalten des Sohnes der Mieterin beklagt hatte. Zwar können grundsätzlich auch Beschwerden von Nachbarn den begründeten Verdacht einer Gefährdung der Mietsache durch einen Mieter rechtfertigen und damit die Annahme eines Besichtigungsrechts tragen. Doch insoweit bedarf es einer Einzelfallbetrachtung. Eine pauschale, schematische Herangehensweise scheidet indes aus.

Zu berücksichtigen war, dass der Hausmeister weder unangenehme Gerüche, noch unzureichendes Lüftungsverhalten, noch Schimmelbildung oder gar eine Verwahrlosung offenbar nicht wahrgenommen hatte. Hinzu kam, dass gerade auch die Wahrnehmung von Gerüchen, wie allgemein bekannt ist, in hohem Maße subjektiv geprägt, also von der individuellen Sensibilität einer Person abhängig ist.

Infolgedessen konnte die singuläre Mitteilung einer einzigen Mieterin hier kein Besichtigungsrecht der Vermieterin und somit einen Eingriff in den grundgesetzlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Mietbesitz begründen. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde die Weigerung, die Besichtigung zu dulden, hier keine Kündigung rechtfertigen. Zwar ist die Kündigung in Fällen der verweigerten Besichtigung keine ultima ratio, die zunächst eine gerichtliche Geltendmachung des Duldungsanspruchs voraussetzt. Die Pflichtverletzung in Form der verweigerten Besichtigung muss jedoch eine hinreichende Schwere aufweisen, an der es umso eher fehlen kann, je geringfügiger der sachliche Grund für die Besichtigung ausfällt.

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