22.11.2018

Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Widerrufsrechts des Darlehensnehmers verwirkt ist, ist sowohl der Umstand, dass der Darlehensgeber Sicherheiten freigegeben hat als auch der Umstand, dass der Darlehensnehmers nach Beendigung des Darlehensvertrag mit Leistungen des Darlehensgebers gearbeitet hat, mit in die Würdigung einzubeziehen und nicht per se auszuschließen.

BGH 16.10.2018, XI ZR 45/18
Der Sachverhalt:

Die Parteien schlossen im Oktober 2004 einen Verbraucherdarlehensvertrag über 12.500 € mit einem bis zum 31.8.2013 festen Nominalzinssatz von 5,16 % p.a.. Zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin dienten Grundpfandrechte. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Klägerin die Beklagten unzureichend über ihr Widerrufsrecht.

Die Beklagten erbrachten zunächst Zins- und Tilgungsleistungen. Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist lösten sie das Darlehen zum 31.8.2013 ab. Die Klägerin gab Sicherheiten frei. Am 18.12.2015 widerriefen die Beklagten ihr auf Abschluss dieses und eines im November 2002 geschlossenen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Zugleich erklärten sie gegenüber Ansprüchen der Klägerin aus dem Rückgewährschuldverhältnis die Aufrechnung mit eigenen niedrigeren Ansprüchen. Die Klägerin wies den Widerruf zurück. Die Beklagten blieben bei ihrer Rechtsauffassung, dass mangels ordnungsgemäßer Belehrung ein Widerruf noch möglich gewesen sei und setzten der Klägerin eine Frist zur Erfüllung der vorgetragenen Forderungen. Die Klägerin entsprach dem Begehren nicht. Darauf reagierten die Beklagten vor Klageerhebung nicht mehr.

Die Klage der Klägerin auf Feststellung, dass die Darlehensverträge durch den Widerruf der Beklagten vom 18.12.2015 nicht in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden seien, sondern wirksam fortbestünden, wies das LG ab. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte nur in Bezug auf den Darlehensvertrag von November 2002 Erfolg. Im Übrigen wies das OLG die Berufung der Klägerin zurück. Die dagegen eingelegte Revision hatte vor dem BGH Erfolg und führte zur Aufhebung des Urteils, insoweit als das OLG zum Nachteil der Klägerin entschieden hatte, und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG.

Die Gründe:

Die negative Feststellungsklage ist zulässig. Die Klägerin hat ein Feststellungsinteresse aufgrund dessen, dass sich die Beklagten auf Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. berufen.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Grundlage des nach Art. 229 § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechts unzureichend deutlich über das ihnen zustehende Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB belehrt. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 7.12.2004 geltenden Fassung kann sie die Klägerin nicht berufen. Es bestand daher noch ein Widerrufsrecht der Beklagten.

Ob dieses Widerrufsrecht allerdings verwirkt ist, steht noch nicht fest. Die Ausführungen des OLG wiesen zur Anwendung des § 242 BGB revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf. Wesentliche Gesichtspunkte wurden bei der Prüfung der Verwirkung zulasten der Klägerin unberücksichtigt gelassen. Dass die Klägerin mit Leistungen der Beklagten nach Beendigung des Darlehensvertragsgearbeitet hat, ist ein Umstand, der bei der Entscheidung über die Verwirkung des Widerrufsrechts miteinbezogen werden kann. Dies hat das OLG nicht genügend in den Blick genommen.

Zudem ist die Tatsache, dass der Darlehensgeber Sicherheiten freigegeben hat, entgegen der Ansicht des OLG, das die Würdigung dieses Umstands bei der Prüfung der Verwirkung per se ausgeschlossen hat, ein Aspekt, den der Tatrichter bei der Prüfung des Umstandsmoments berücksichtigen kann. Dem steht nicht entgegen, dass der Darlehensgeber nach Beendigung des Darlehensvertrags die Sicherheiten ohnehin freizugeben hätte. Die Sicherheiten sichern regelmäßig auch Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.. Beendet der Darlehensgeber trotz Möglichkeit der Revalutierung durch Rückgewähr der Sicherheit, den Sicherungsvertrag, kann darin die Ausübung beachtlichen Vertrauens i.S.d. § 242 BGB liegen.

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