17.11.2025

Voraussetzungen einer besonders umfangreichen oder schwierigen Inkassodienstleistung i.S.d. Nr. 2300 Abs. 2 S. 1 VV RVG

Ein besonderer Umfang kommt etwa in Betracht, wenn zahlreiche Mahnungen und weitere Korrespondenz mit dem Schuldner erfolgt oder mehrfach Nachforschungen zu dessen Aufenthaltsort erfolgen müssen. Eine besonders schwierige Tätigkeit liegt regelmäßig vor, wenn sich komplizierte Rechtsfragen stellen oder auch ausländisches Recht zu prüfen ist.

AG Köln v. 30.10.2025 - 131 C 258/25
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht. Für diesen zahlte er 1.856,34 € und löste Meilen ein. Für den Fall der Kündigung war vereinbart worden, dass Meilen wie Zuzahlung erstattet werden. Der Kläger kündigte den Beförderungsvertrag vor Abflug, erhielt aber lediglich die Meilen erstattet. Daraufhin beauftragte der Kläger seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung des Vorgangs sowie der lediglich außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche.

Die Anwälte des Klägers prüften den Fall unter Berücksichtigung der Tarifregeln sowie der 19-seitigen Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten. Daneben berücksichtigten sie, dass eine LX-Flugnummer verwendet wurde und auch aufgrund der eingelösten Meilen Ansprüche in Betracht. Schließlich forderten sie die Beklagte zur Zahlung der 1.856,34 € auf. Daneben forderten die Anwälte die Beklagte zur Freistellung des Klägers von den Kosten der anwaltlichen Vertretung i.H.v. 280,60 € unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung für den Fall des Fristablaufs auf. Die Gebühren wurden ordnungsgemäß abgerechnet.

Der Kläger meinte, nach den gesetzlichen Gebühren stünde seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 Abs. 1 VV RVG zu. Es handle sich nicht um eine Inkassodienstleistung i.S.d. Nr. 2300 Abs. 2 S. 1 VV RVG, weil eine anwaltliche Tätigkeit beauftragt gewesen sei. Nach zwischenzeitlich gezahlter Hauptforderung haben die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Beklagte hat die dadurch verursachten Kosten anerkannt. Daraufhin beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 280,60 € zu zahlen.

Das AG gab der Klage teilweise statt. Allerdings wurde die Berufung zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger kann von der Beklagten gem. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB den Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten lediglich i.H.v. 201,59 € verlangen.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers waren in gesetzlicher Höhe erforderlich und zweckmäßig, weil der Kläger mangels anderer Anhaltspunkte hoffen durften, dass die Beklagte sich durch eine anwaltliche Zahlungsaufforderung doch zur Zahlung entschließen würde. Die gesetzlichen Gebühren betrugen nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 2300, 7002, 7008 VV RVG beim vorliegenden Gegenstandswert bis 2.000 € aber lediglich 201,59 € (= (166 € x 0,9 + 20 €) x 1,19). Insbesondere durften die Prozessbevollmächtigten des Klägers eine 0,9-fache Geschäftsgebühr bestimmen. Die Bestimmung einer höheren Gebühr war nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG jedoch nicht möglich.

Danach kann bei Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betreffen, eine Gebühr von mehr als 0,9 nur gefordert werden, wenn die Inkassodienstleistung besonders umfangreich oder besonders schwierig war. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist gerichtlich voll überprüfbar. Bei der vorgerichtlichen Tätigkeit handelte es sich zwar um eine Inkassodienstleistung im Sinne der Norm. Der Begriff der Inkassodienstleistung ist in § 2 Abs. 2 S. 1 RDG legaldefiniert. Eine besonders umfangreiche oder schwierige Tätigkeit war allerdings nicht dargetan worden.

Maßgeblich ist insoweit die Abweichung von einer typischen Inkassodienstleistung. Ein besonderer Umfang kommt danach etwa in Betracht, wenn zahlreiche Mahnungen und weitere Korrespondenz mit dem Schuldner erfolgt oder mehrfach Nachforschungen zu dessen Aufenthaltsort erfolgen müssen. Eine besonders schwierige Tätigkeit liegt regelmäßig vor, wenn sich komplizierte Rechtsfragen stellen oder auch ausländisches Recht zu prüfen ist. Infolgedessen war die vorgerichtliche Tätigkeit hier nicht als besonders umfangreich oder schwierig zu qualifizieren.

Die Tatsache, dass zusätzlich noch eine Schlüssigkeitsprüfung mit Blick auf die weiteren potentiellen Schuldner erfolgt war, begründete allein keinen besonderen Umfang oder keine besondere Schwierigkeit, zumal nicht dargetan worden war, dass die Prüfung kompliziert war oder das Tarifwerk oder die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten insoweit eingehend zu studieren waren. Es wurden auch keine besonders umfangreichen Beitreibungsbemühungen entfaltet, sondern lediglich eine erfolglose Zahlungsaufforderung versandt.

Die Berufung wurde nach § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen, weil die Frage, wann eine Inkassodienstleistung i.S.d. Nr. 2300 Abs. 2 S. 1 VV RVG vorliegt, in den von dem Kläger vorgelegten Urteilen anders beurteilt zu werden schien und der Kläger durch das Urteil mit nicht mehr als 600 € beschwert ist.

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