28.05.2025

Vorkaufsrecht des Mieters auch bei Teileigentum

In analoger Anwendung des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch dann ein Vorkaufsrecht des Mieters entstehen, wenn anstelle von Wohnungseigentum Teileigentum an zu Wohnzwecken vermieteten Räumlichkeiten begründet wird. Die Frist des § 577 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB ist eine Ausschlussfrist, die nach ihrem Ablauf nicht mehr der Disposition der Parteien unterliegt.

BGH v. 21.5.2025 - VIII ZR 201/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit September 2006 Mieter einer Wohnung, die sich in einem Mehrparteienhaus mit insgesamt zwölf Einheiten befindet. Mitte Dezember 2017 hatte der Beklagte in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker der verstorbenen Grundstückseigentümerin und Vermieterin Teileigentum an der Wohnung (Einheit 7) begründet, wobei dem jeweiligen Eigentümer in der Teilungserklärung u.a. gestattet war, Teileigentum in Wohnungseigentum umzuwandeln und die Räume entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu Wohnräumen aus- oder umzubauen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 28.12.2017 veräußerte der Beklagte die Einheiten 4 bis 12 für insgesamt 2,98 Mio. €, wovon 504.000 € auf die Wohnung des Klägers entfielen, an die A-GmbH. Diese übersandte dem Kläger im Januar 2018 eine teilweise geschwärzte Kopie des Kaufvertrags und teilte ihm mit, dass ein Verkauf erfolgt sei und ihm ein Vorkaufsrecht zustehe, das er innerhalb von zwei Monaten nach Empfang dieser Mitteilung ausüben müsse. Im März 2018 erhielt der Kläger zudem von dem Beklagten die Teilungserklärung und den vorläufigen Aufteilungsplan.

Im Juli 2018 wurde die Käuferin als Eigentümerin der von dem Kläger bewohnten Teileigentumseinheit im Grundbuch eingetragen. Am 18.12.2018 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er könne es sich noch überlegen, ob er die Wohnung erwerben wolle, und es stehe ihm frei, in den Kaufvertrag einzutreten. Am 30.8.2019 erklärte der Kläger, er übe das Vorkaufsrecht aus. In der Folgezeit veräußerte die A-GmbH die Wohnung zu einem Kaufpreis von 560.000 € weiter.

Der Kläger machte daraufhin geltend, der Beklagte habe durch die Begründung von Teil- statt Wohnungseigentum an der vom Kläger bewohnten Einheit die Entstehung seines Vorkaufsrechts als Mieter bewusst vereitelt bzw. ihn an der Ausübung eines (etwaigen) Vorkaufsrechts gehindert. Dadurch sei ihm ein Schaden von 205.000 € entstanden, der sich aus der Differenz zwischen dem von der A-GmbH erzielten Weiterverkaufspreis und dem Wert der Immobilie ergebe, der - ausgehend vom Anteil am Gesamtwert aller verkauften Einheiten - lediglich 355.000 € betrage.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Mietvertrag wegen einer pflichtwidrigen Vereitelung der Entstehung eines Vorkaufsrechtes nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB war zu verneinen.

Das Berufungsgericht war im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass ein Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB auch entstehen kann, wenn an Räumen, die - wie hier - als Wohnraum vermietet worden sind, nach der Überlassung an den Mieter nicht Wohnungs-, sondern Teileigentum begründet worden ist bzw. werden soll. Eine direkte Anwendung der vorgenannten Bestimmung scheidet zwar - anders als das Berufungsgericht offenbar gemeint hat - aus, da der Beklagte an den dem Kläger vermieteten Räumen Wohnungseigentum weder begründet noch dies beabsichtigt hat und die Begründung von Teileigentum von der Vorschrift des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erfasst ist. Nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt, wenn vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft werden.

Die Vorschrift des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB ist auf den Fall der (beabsichtigten) Begründung von Teileigentum jedoch analog anzuwenden. Dies entspricht - jedenfalls im Ergebnis - auch der im Schrifttum, soweit ersichtlich, einhellig vertretenen Auffassung. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass dem Kläger ein von ihm wegen vermeintlicher Vereitelung der Ausübung seines Vorkaufsrechts geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz nach § 311a Abs. 1, 2 Satz 1, § 275 Abs. 1, 4, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB nicht zusteht. Es bestand keine Verpflichtung des Beklagten zur Auflassung der Wohnung an den Kläger, da dieser sein Vorkaufsrecht nicht rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Frist des § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BGB ausgeübt hatte.

Das Vorkaufsrecht des Klägers war zum Zeitpunkt der Ausübung am 30.8.2019 bereits erloschen. Soweit der Kläger meinte, er könne das Vorkaufsrecht auch nach Ablauf der Ausübungsfrist gem. § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB im Hinblick auf den Inhalt des Schreibens des Beklagten vom 18.12.2018 noch ausüben, weil die vorgenannte Frist disponibel sei, traf dies nicht zu. Denn nach ständiger BGH-Rechtsprechung handelt es sich bei dieser Frist um eine Ausschlussfrist, die nach ihrem Ablauf nicht mehr der Disposition der Parteien unterliegt.

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