30.01.2024

Wann ist ein Vergleichsmehrwert festzusetzen?

Ein Vergleichsmehrwert ist festzusetzen, soweit eine Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs anfällt, was gem. Nr. 1900 KV GKG nur der Fall ist, soweit ein Vergleich über nicht gerichtlich anhängige Gegenstände geschlossen wird. Dass im Vergleich eine Zahlungspflicht festgelegt wird, während das angestrebte Urteil nur auf Feststellung gelautet hätte, vermag einen Mehrwert des Vergleichs per se nicht zu begründen,

OLG München v. 19.1.2024, 25 W 1378/23 e
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte gerichtlich Ansprüche aus abgetretenem Recht aus einer Gebäudeversicherung aufgrund eines Brandschadens an einer Gaststätte gegen die Beklagte geltend gemacht. Die Einstandspflicht der Beklagten war dem Grunde nach unstreitig. Streitig war jedoch, ob ein Anspruch nicht nur auf den Zeitwert, sondern auch auf den Neuwert bestand. Ferner war zwischen den Parteien die Höhe der erforderlichen Wiederherstellungskosten streitig. Insoweit lagen verschiedene vorgerichtliche Sachverständigengutachten vor.

Mit ihren zuletzt unter Ziffer I gestellten Anträgen hat die Klägerin bezifferte Leistungsanträge, beruhend auf den Darlegungen im von der Beklagten beauftragen Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der Neuwertentschädigung gestellt. Mit den unter Ziffer II gestellten Feststellungsanträgen hat die Klägerin unter Ziffer II.1. die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den weiteren Versicherungsschaden, soweit er über die in Ziffer I beantragten Zahlbeträge hinausgehe, zu erstatten und unter Ziffer II.2., dass die Beklagte verpflichtet sei, den Schaden zu erstatten, der durch die Verzögerung der Regulierung entstanden sei.

Vor dem LG ist es zwischen den Parteien zu einem Vergleich gekommen. Die vergleichsweise Einigung sah die Zahlung von weiteren (neben bereits vorgerichtlich und während des Prozesses erfolgten Zahlungen) 388.736 € seitens der Beklagten gegen Abgeltung sämtlicher Forderungen aus dem streitgegenständlichen Schadensereignis vor. Das LG hat den Streitwert des Verfahrens auf 2.299.857 € festgesetzt. Ferner hat es entschieden, dass ein überschießender Vergleichswert nicht bestehe.

Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten war der Ansicht, dass der geschlossene Vergleich "mehr wert" sei als die Klageanträge, da sich die Parteien auf eine Zahlungspflicht geeinigt hätten, während die Klageanträge in Ziffer II nur auf Feststellung gerichtet gewesen seien. Mit ihrer Beschwerde begehrte sie die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts von 656.047 €. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gründe:
Zutreffend hat das LG entschieden, dass ein überschießender Vergleichswert nicht besteht.

Ein Vergleichsmehrwert ist festzusetzen, soweit eine Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs anfällt, was gem. Nr. 1900 KV GKG nur der Fall ist, soweit ein Vergleich über nicht gerichtlich anhängige Gegenstände geschlossen wird. Im vorliegenden Fall wurden durch den Vergleich keine Ansprüche abgefunden, die nicht bereits Gegenstand des Rechtsstreits waren. Insbesondere war gerade auch die Höhe der Wiederherstellungskosten, die von den Sachverständigen der beiden Parteien unterschiedlich angegeben worden war, bereits Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Soweit mit dem Vergleich auch die genaue Höhe der Wiederherstellungskosten dem Streit zwischen den Parteien entzogen wurde, geht der Vergleich nicht über die gerichtlich anhängigen Gegenstände hinaus. Zur Ermittlung der tatsächlich geschuldeten Wiederherstellungskosten wäre im Prozess die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erforderlich geworden. Mit der vom LG vorgenommenen Wertfestsetzung hinsichtlich der Feststellungsanträge ist darüber hinaus auch der mit dem Vergleich abgegoltene Anspruch zutreffend festgesetzt.

Der Wert des Vergleichs richtet sich nach den rechtshängigen und gegebenenfalls nicht rechtshängigen Ansprüchen, die durch den Vergleich erledigt werden. Beim Abfindungsvergleich kommt es daher auf den Wert der abgefundenen Ansprüche an (Zöller, Herget, ZPO, 34. Auflage, § 3 Rz. 16.179). Nicht maßgeblich ist dagegen, welchen Wert die Forderungen haben, die durch den Vergleich begründet wurden. Ein Mehrwert des Vergleichs ergibt sich daher nicht schon deshalb, weil mit dem Vergleich eine Zahlungspflicht vereinbart wurde, während streitgegenständlich auch Feststellungsanträge waren, bei deren Wertfestsetzung -- jedenfalls hinsichtlich des Feststellungsantrags in Ziffer II.1. -- aufgrund bestehender Unsicherheiten ein Abschlag von 30% auf die Differenz der Wiederherstellungskosten gemacht wurde, die sich aus den von den Parteien jeweils beauftragten Sachverständigengutachten ergeben hatte. Dass im Vergleich eine Zahlungspflicht festgelegt wird, während das angestrebte Urteil nur auf Feststellung gelautet hätte, vermag einen Mehrwert des Vergleichs per se nicht zu begründen, da nicht maßgeblich ist, welche Leistung durch den Vergleich begründet wird, sondern welche Ansprüche durch den Vergleich erledigt werden.

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