Wasserschaden: Was bedeutet "ungenutzt" im Sinne der Gebäudeversicherungsbedingungen?
OLG Celle v. 10.7.2025 - 11 U 179/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Doppelhaushälfte, für die sie bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (VGB 2000/E) abgeschlossen hatte. Die Klägerin ist nur noch eingeschränkt geschäftsfähig, ihr Schwiegersohn ist als Betreuer eingesetzt. Der Beklagten wurde im Mai 2022 angezeigt, dass sie im Heim untergebracht sei. Diese bestätigte daraufhin den Versicherungsschutz nach Erhöhung der Prämie als Risikozuschlag.
Am 16.5.2023 gab ein Rauchmelder im Haus der Beklagten ein Signal ab. Zudem war es zu Wasseraustritt an der Gebäudetrennwand des Nachbargebäudes gekommen. Wie sich rausstellte war die Kartusche der badewannenmische Batterie im Obergeschoss gebrochen, dort traten unter hohem Druck große Wassermengen aus. Die Doppelhaushälfte musste vollständig geräumt und bis auf die Mauern entkernt werden. Der Schaden wurde auf mind. 150.000 € geschätzt.
Am 31.5.2023 erklärte die Beklagte, sie werde ihre versicherungsvertraglichen Leistungen um 80 % reduzieren. Es habe eine Gefahrerhöhung vorgelegen, da das versicherte Gebäude nicht genutzt worden sei. Davon habe man keine Kenntnis gehabt. Außerdem habe die Klägerin das unbewohnte Gebäude nicht genügend häufig kontrolliert und nicht alle wasserführenden Anlagen abgesperrt. Es handele sich um die grob fahrlässige Verletzung von Obliegenheiten, die eine entsprechende Leistungskürzung rechtfertige.
Die Klägerin behauptete, das Gebäude sei von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn mind. einmal die Woche kontrolliert und gepflegt worden. Dabei hätten sie auch das Leitungswassersystem genutzt, etwa in den Toiletten und der Küche. Außerdem hätten sie regelmäßig die Blumen gegossen und den Garten bewässert. Bei jeder Abreise hätten sie das Wasser abgestellt. Dies sei wohl bei ihrem letzten Besuch verabsäumt worden. Darin sei jedoch keine grobe Fahrlässigkeit zu sehen. Zumindest sei der Klägerin ein etwaiges Verschulden nicht zuzurechnen.
Das LG hat der auf 100 prozentige Deckung des Wohngebäudeschadens gerichteten Klage vollumfänglich stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war vor dem OLG teilweise erfolgreich. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen des Wasserschadens in ihrem Haus nur einen um ein Drittel gekürzten versicherungsvertraglich begründeten Entschädigungsanspruch.
Die Leistungspflicht der Beklagten ist gem. § 19 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 2, Abs. 1 lit. d) VGB 2000, § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG auf zwei Drittel der Schadenssumme beschränkt. Danach ist die Beklagte bei einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit nach § 19 Abs. 1 VGB 2000 berechtigt, ihr Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entspricht. Die Regelung greift nicht schon dann ein, wenn ein versichertes Gebäude nicht ständig genutzt wird, sondern erst dann, wenn es nicht mehr genutzt wird. Wird ein Gebäude, wenn auch in unregelmäßigen Abständen, zeitweise bewohnt, so wird es genutzt (BGH, Urt. v. 25.6.2008 - IV ZR 233/06). Auch eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus stellen daher kein "nicht genutztes Gebäude" dar.
Der Senat ist der Auffassung, dass ein Gebäude, in dem seit mehr als einem Jahr niemand mehr wohnt und der letzte Bewohner nach seinem - absehbar endgültigen - Umzug in ein Altenpflegeheim lediglich noch die Möbel nebst sonstigem Inventar zurückgelassen hat, die in dem Heim keinen Platz fanden, i. S. der Wohngebäudeversicherungsbedingungen ungenutzt ist. Insofern gab es keinen Grund, im Streitfall von einem Fortbestand der Nutzung des Hauses der Klägerin jedenfalls ab dem Jahresbeginn 2023 auszugehen. Insbesondere stellten die Raum- und Gartenpflegearbeiten keine (Wohn-) Nutzung des Gebäudes dar. Allerdings besteht dann die Obliegenheit, die Wasserversorgung abzusperren.
Der Verstoß des rechtlichen Betreuers der Klägerin gegen die Obliegenheit des § 19 Abs. 1 lit. d) VGB 2000 war unstreitig. Adressat der Obliegenheit ist, wenn der Versicherungsnehmer einen gesetzlichen Vertreter hat, innerhalb dessen Aufgabenbereich der Vertreter. Die Verletzung der Obliegenheit bewirkte, dass die Beklagte die von ihr geschuldete Versicherungsleistung in dem Verhältnis kürzen durfte, das der Schwere des (der Klägerin zuzurechnenden) Verschuldens entsprach, weil der Betreuer der Klägerin grob fahrlässig gehandelt hatte.
Der Senat ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Gebäude, in dem nach dem Auszug des letzten Bewohners in ein Altersheim noch über einen längeren Zeitraum dessen Mobiliar und Hausrat zurückbleiben, versicherungsrechtlich als "ungenutzt" anzusehen ist, von dem Urteil des OLG Schleswig-Holsteinischen vom 1.12.2011 (16 U 65/11) abgewichen und jedenfalls hinsichtlich einer ausdrücklich so bezeichneten Wohngebäudeversicherung - abweichend von weiteren obergerichtlichen Urteilen und insbesondere von renommierten Stimmen im Schrifttum - insgesamt davon ausgegangen, dass eine Nutzung als bloßes Lager - ohne Bezug zu einer Wohnnutzung - keine Nutzung i.S.d. Versicherungsvertrags darstellt. Die Rechtsfrage hat angesichts der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft erhebliche praktische Bedeutung.
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Die Klägerin ist Eigentümerin einer Doppelhaushälfte, für die sie bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (VGB 2000/E) abgeschlossen hatte. Die Klägerin ist nur noch eingeschränkt geschäftsfähig, ihr Schwiegersohn ist als Betreuer eingesetzt. Der Beklagten wurde im Mai 2022 angezeigt, dass sie im Heim untergebracht sei. Diese bestätigte daraufhin den Versicherungsschutz nach Erhöhung der Prämie als Risikozuschlag.
Am 16.5.2023 gab ein Rauchmelder im Haus der Beklagten ein Signal ab. Zudem war es zu Wasseraustritt an der Gebäudetrennwand des Nachbargebäudes gekommen. Wie sich rausstellte war die Kartusche der badewannenmische Batterie im Obergeschoss gebrochen, dort traten unter hohem Druck große Wassermengen aus. Die Doppelhaushälfte musste vollständig geräumt und bis auf die Mauern entkernt werden. Der Schaden wurde auf mind. 150.000 € geschätzt.
Am 31.5.2023 erklärte die Beklagte, sie werde ihre versicherungsvertraglichen Leistungen um 80 % reduzieren. Es habe eine Gefahrerhöhung vorgelegen, da das versicherte Gebäude nicht genutzt worden sei. Davon habe man keine Kenntnis gehabt. Außerdem habe die Klägerin das unbewohnte Gebäude nicht genügend häufig kontrolliert und nicht alle wasserführenden Anlagen abgesperrt. Es handele sich um die grob fahrlässige Verletzung von Obliegenheiten, die eine entsprechende Leistungskürzung rechtfertige.
Die Klägerin behauptete, das Gebäude sei von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn mind. einmal die Woche kontrolliert und gepflegt worden. Dabei hätten sie auch das Leitungswassersystem genutzt, etwa in den Toiletten und der Küche. Außerdem hätten sie regelmäßig die Blumen gegossen und den Garten bewässert. Bei jeder Abreise hätten sie das Wasser abgestellt. Dies sei wohl bei ihrem letzten Besuch verabsäumt worden. Darin sei jedoch keine grobe Fahrlässigkeit zu sehen. Zumindest sei der Klägerin ein etwaiges Verschulden nicht zuzurechnen.
Das LG hat der auf 100 prozentige Deckung des Wohngebäudeschadens gerichteten Klage vollumfänglich stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war vor dem OLG teilweise erfolgreich. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen des Wasserschadens in ihrem Haus nur einen um ein Drittel gekürzten versicherungsvertraglich begründeten Entschädigungsanspruch.
Die Leistungspflicht der Beklagten ist gem. § 19 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 2, Abs. 1 lit. d) VGB 2000, § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG auf zwei Drittel der Schadenssumme beschränkt. Danach ist die Beklagte bei einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit nach § 19 Abs. 1 VGB 2000 berechtigt, ihr Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entspricht. Die Regelung greift nicht schon dann ein, wenn ein versichertes Gebäude nicht ständig genutzt wird, sondern erst dann, wenn es nicht mehr genutzt wird. Wird ein Gebäude, wenn auch in unregelmäßigen Abständen, zeitweise bewohnt, so wird es genutzt (BGH, Urt. v. 25.6.2008 - IV ZR 233/06). Auch eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus stellen daher kein "nicht genutztes Gebäude" dar.
Der Senat ist der Auffassung, dass ein Gebäude, in dem seit mehr als einem Jahr niemand mehr wohnt und der letzte Bewohner nach seinem - absehbar endgültigen - Umzug in ein Altenpflegeheim lediglich noch die Möbel nebst sonstigem Inventar zurückgelassen hat, die in dem Heim keinen Platz fanden, i. S. der Wohngebäudeversicherungsbedingungen ungenutzt ist. Insofern gab es keinen Grund, im Streitfall von einem Fortbestand der Nutzung des Hauses der Klägerin jedenfalls ab dem Jahresbeginn 2023 auszugehen. Insbesondere stellten die Raum- und Gartenpflegearbeiten keine (Wohn-) Nutzung des Gebäudes dar. Allerdings besteht dann die Obliegenheit, die Wasserversorgung abzusperren.
Der Verstoß des rechtlichen Betreuers der Klägerin gegen die Obliegenheit des § 19 Abs. 1 lit. d) VGB 2000 war unstreitig. Adressat der Obliegenheit ist, wenn der Versicherungsnehmer einen gesetzlichen Vertreter hat, innerhalb dessen Aufgabenbereich der Vertreter. Die Verletzung der Obliegenheit bewirkte, dass die Beklagte die von ihr geschuldete Versicherungsleistung in dem Verhältnis kürzen durfte, das der Schwere des (der Klägerin zuzurechnenden) Verschuldens entsprach, weil der Betreuer der Klägerin grob fahrlässig gehandelt hatte.
Der Senat ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Gebäude, in dem nach dem Auszug des letzten Bewohners in ein Altersheim noch über einen längeren Zeitraum dessen Mobiliar und Hausrat zurückbleiben, versicherungsrechtlich als "ungenutzt" anzusehen ist, von dem Urteil des OLG Schleswig-Holsteinischen vom 1.12.2011 (16 U 65/11) abgewichen und jedenfalls hinsichtlich einer ausdrücklich so bezeichneten Wohngebäudeversicherung - abweichend von weiteren obergerichtlichen Urteilen und insbesondere von renommierten Stimmen im Schrifttum - insgesamt davon ausgegangen, dass eine Nutzung als bloßes Lager - ohne Bezug zu einer Wohnnutzung - keine Nutzung i.S.d. Versicherungsvertrags darstellt. Die Rechtsfrage hat angesichts der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft erhebliche praktische Bedeutung.
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