15.11.2018

Wasserversorgung des Nachbargrundstücks: Keine sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebende Verpflichtung

Eine aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgende selbstständige Verpflichtung (hier: Versorgung des Nachbargrundstücks mit Wasser) ist mir Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine enge begrenzte Ausnahme und kann nur dann angenommen werden, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint.

BGH 13.7.2018, V ZR 308/17
Der Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die durch Teilung eines Grundstücks entstanden sind. Auf dem ursprünglich einheitlichen Grundstück mit einem Wohnhaus wurde 1968 im hinteren Teil des Grundstücks ein Doppelhaus errichtet. Für die Frischwasserversorgung wurde eine Leitung verlegt, die unterhalb der Terrasse des zuerst errichteten Hauses beginnt und an einer Doppelhaushälfte endet. Von dort wird das Wasser zur anderen Doppelhaushälfte weitergeleitet. Gegenüber dem Wasserversorger trat der Großvater als alleiniger Abnehmer auf. In den Doppelhaushälften baute er zur Erfassung des Wasserverbrauchs Zähler ein.

1989 parzellierte der Großvater das Grundstück, wobei im hinteren Teil zwei Grundstücke gebildet wurden, auf denen sich jeweils eine Doppelhaushälfte befindet. Beide Grundstücke grenzen unmittelbar an eine öffentliche Straße an. Eines der Grundstücke veräußerte der Großvater des Klägers an die Beklagte zu 2 und 3, das andere an den Vater des Klägers. Dieser veräußerte es wiederrum 2007 an die Beklagte zu 1. In den jeweiligen Kaufverträgen wurde darauf hingewiesen, dass die Wasserversorgung über das Grundstück des Verkäufers erfolgt und über Zwischenzähler einzeln abgerechnet wird. Eine dingliche Absicherung der Wasserversorgung der Doppelhaushälfte erfolgte nicht.

Die Beklagten zahlten für den Wasserbezug jeweils Vorschüsse an den Großvater des Klägers, der jährlich eine Abrechnung erstellte. 2012 verstarb der Großvater. Die Erbin verkaufte sein Grundstück an den Kläger, der seither keine Abrechnung mehr trotz weiterer Vorschusszahlungen vorgenommen hat. Der Kläger verlangte die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, die Grundstücke der Beklagten durch die vorhandene Leitung mit Wasser zu versorgen. Das LG gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Die Revision des Klägers war erfolgreich.

Die Gründe:

Den Beklagten steht kein Notleistungsrecht in entsprechender Anwendung des § 917 BGB zu. Entsprechend § 917 BGB kann sich zwar ein Recht ergeben, Versorgungsleitungen über ein anderes, fremdes Grundstück zu führen, um diese mit den öffentlichen Versorgungsnetzen zu verbinden, soweit - wie hier im Nachbarrecht des Landes Nordrhein-Westfalen - entsprechende landesrechtliche Regelungen fehlen. Die Grundstücke der Beklagten liegen aber im Streitfall an einer öffentlichen Straße, so dass eine Verbindung zu dem öffentlichen Leitungsnetz möglich ist. Dass eine solche Verbindungsmöglichkeit umständlicher ist, als die Inanspruchnahme der bereits vorhandenen Leitung des Nachbargrundstücks, rechtfertigt für sich allein noch nicht das Verlangen nach einer Notleitung.

Die Pflicht des Klägers, die Grundstücke der Beklagten mit Wasser zu versorgen, ergibt sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. In der Regel begründet der allgemeine Gedanke von Treu und Glauben gem. § 242 BGB im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses keine selbstständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus. Nur im Einzelfall kann sie den Grundstückseigentümer auch zu positivem Handeln verpflichten. Eine aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgende selbstständige Verpflichtung ist mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen jedoch eine eng begrenzte Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Inter4essen zwingend geboten erscheint.

Danach kann im Streitfall keine Verpflichtung des Klägers, die Beklagten weiterhin mit Wasser zu versorgen, aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitet werden, denn die ausnahmsweise bestehende Verpflichtung kommt nicht allein in Betracht, wenn das Interesse einer der Nachbarn - wie hier - überwiegt. Erforderlich ist vielmehr, dass die in Rede stehende Verpflichtung zum Ausgleich der im konkreten Fall widerstreitenden Interessen zwingend geboten ist. Im Streitfall fehlt es an Gründen, die es geböten, den Kläger auf unbestimmte Dauer zu verpflichten, die Grundstücke der Beklagten mit Frischwasser zu versorgen. Ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten auf den unbefristeten Fortbestand der Wasserversorgung ist nicht gegeben. Zudem fehlt es an einer dinglichen Absicherung, so dass es daher grds. in den Risikobereich des Eigentümers des Nachbargrundstücks fällt, die Anbindung an das öffentliche Leitungsnetz herzustellen. Zudem hatten die Beklagten beim Erwerb der Grundstücke Kenntnis über diesen Umstand. Es hat sich nun ein Risiko verwirklicht, welches beim Erwerb erkennbar war.

Schließlich steht den Beklagten auch kein Anspruch aus § 743 Abs. 2 BGB i.V.m. § 746 BGB zu. Das Vorhandensein von Leitungen, die Grundstückgrenzen überschreiten und der Versorgung verschiedener Grundstücke dienen, begründet für sich genommen keine zwischen den Grundstückeigentümern bestehende Rechtsgemeinschaft.

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