30.09.2025

WEG: Eigentümerversammlung während der Pandemie

Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Verwalters liegt nur dann vor, wenn seine Entscheidung über Ort und Zeit der Versammlung offensichtlich unvertretbar oder nicht nachvollziehbar ist. Trifft er in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 die Auswahl des Versammlungsorts nicht nur anhand der zu erwartenden Teilnehmerzahl, sondern auch mit Rücksicht auf die Corona-Pandemie, so handelt er nicht offensichtlich unvertretbar oder unplausibel.

AG München v. 27.3.2025 - 1293 C 21442/23 WEG
Der Sachverhalt:
Die Beklagte war von 2019 bis Ende 2022 Verwalterin der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit Schreiben vom 15.7.2020 hatte sie die 79 Wohnungseigentümer für den 30.7.2020 zu einer Eigentümerversammlung in ihre Büroräume eingeladen. Die Einladung enthielt die dringende Bitte, im "Hinblick auf die Corona bedingten landesrechtlichen Beschränkungen und das bestehende Infektionsrisiko vom persönlichen Erscheinen Abstand zu nehmen und von der als Anlage beigefügten Vollmacht Gebrauch zu machen".

In den Jahren vor der Pandemie waren zu den Versammlungen ca. 20 Eigentümer erschienen. Zum Zeitpunkt der Einladung sowie zum Zeitpunkt der Versammlung waren nach § 5 Abs. 2 S. 1 der 6. BaylfSMV bei ausgearbeitetem Schutz- und Hygienekonzept in geschlossenen Räumen Versammlungen mit bis zu 100 Teilnehmern zulässig. In der Versammlung am 30.7.2020 war somit auf Seiten der Eigentümer nur ein Verwaltungsbeirat anwesend und 395,824/1.000 vertreten. Es waren mehrere Beschlüsse gefasst worden, die später vom AG München für nichtig erklärt wurden, wobei die Verfahrenskosten der Klägerin auferlegt wurden. Das Urteil wurde ohne Einlegung von Rechtsmitteln rechtskräftig.

Anschließend machte die Klägerin im Wege des Schadensersatzes u.a. die ihr entstandene Kostenlast der Nichtigkeitsfeststellungsklage i.H.v. 22.996 € gegen die Beklagte geltend. Sie war der Ansicht, die Beklagte habe pflichtwidrig und schuldhaft die Ursache für die Nichtigkeitsfeststellungsklage gesetzt, indem sie "coronabedingt" eine reine "Stellvertreterversammlung" abgehalten habe. Die aus 79 Eigentümern bestehende Klägerin hätte "in voller Mannstärke" an der Versammlung teilnehmen können. Außerdem habe die Beklagte durch Bereitstellung deutlich zu unterdimensionierten Räumlichkeiten faktisch die Abhaltung einer ordnungsgemäßen Eigentümerversammlung im Präsenzwege ausgeschlossen.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Rechtsanwalts- und Gerichtskosten, insbesondere nicht gem. §§ 280 Abs. 1, 249 ff BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 WEG, da es jedenfalls an einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten fehlte.

Die Auswahl der Geschäftsräume der Verwalterin anstelle einer Gaststätte als Versammlungsort war nicht ermessensfehlerhaft, da aufgrund der Teilnehmerzahl der Vorjahre und der fortbestehenden Infektionsgefahr mit einer geringen Anwesenheit zu rechnen war. Jedenfalls konnte der Verwalterin unter Zugrundelegung eines objektiven Verschuldensmaßstabs kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden. Eine Pflichtverletzung des Verwalters einer WEG liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung offensichtlich unvertretbar und/oder nicht nachvollziehbar ist. Und dies war hier nicht der Fall.

Es kann dem Verwalter gerade nicht angelastet werden, dass er sich bei der Wahl der Räumlichkeiten für eine Eigentümerversammlung im Jahr 2020 nicht ausschließlich von der zu erwartenden Teilnehmerzahl hat leiten lassen, sondern auch von dem Wunsch, die Eigentümer von der Versammlung fernzuhalten, und hierbei nicht in den Blick genommen hat, dass die von ihm gewählten Formulierungen im Einladungsschreiben aus der Sicht eines objektiven Empfängers als Ausladung verstanden werden konnten. Dies galt hier umso mehr als nach Kenntnis des Gerichts zum damaligen Zeitpunkt von diversen Verwalterverbänden und Juristen, so auch vom damaligen anwaltlichen Vertreter der Klägerin, die Rechtauffassung vertreten und in der Fachliteratur publiziert wurde, Vertreter- und "Ein-Mann-Versammlungen" seien zulässig.

Mehr zum Thema:

Aufsatz

Hans Reinold Horst
Rechtsprechungsübersicht zum WEG 1. Halbjahr 2025 - Teil II
MietRB 2025, 280

Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Bayern.Recht