WEG: Voraussetzungen für einen sog. Negativbeschluss
AG Dortmund v. 3.7.2025 - 514 C 4/25
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der Miteigentümer P. hatte in der Vergangenheit - ohne dass dies durch Vereinbarung oder Beschluss genehmigt war - über sein Sondernutzungsrecht hinausgehend einen Stabmattenzaun errichtet, der auch die an das Sondernutzungsrecht angrenzende gemeinschaftliche Grünfläche teilweise einfasst. In einer Eigentümerversammlung wurde über folgenden Beschlussantrag ein Negativbeschluss gefasst: "Der Eigentümer P. wird verpflichtet, den von ihm errichteten Zaun in den Bereich seines Sondernutzungsrechtes zu versetzen."
Der Kläger wandte sich gegen diesen Negativbeschluss und begehrte Beschlussersetzung. Er war der Ansicht, dass das Ermessen der Wohnungseigentümer auf Null reduziert war, da lediglich ein Versetzen des Zauns ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde. Den übrigen Wohnungseigentümern sei die Nutzung der Fläche unmöglich. Der Kläger behauptete, dass der Eigentümer P. für die Pflege der gemeinschaftlichen Grünfläche Fördergelder erhalte. Auch sei das Sondernutzungsrecht des Eigentümers P. vor Errichtung des Stabmattenzauns nicht "optisch vergrößert" gewesen.
Die Beklagte hielt dagegen, dass in der Ablehnung des streitgegenständlichen Beschlussantrags eine nachträgliche Genehmigung der baulichen Veränderung zu sehen sei. Diese sei ermessensfehlerfrei ergangen. Der Eigentümer P. erhalte für die Pflege der gemeinschaftlichen Grünfläche keine Fördergelder. Zudem sei sein Sondernutzungsrecht schon früher durch eine Mauer, die auf der gemeinschaftlichen Grünfläche stand, "optisch vergrößert" gewesen.
Das AG hielt die Anfechtung des Negativbeschlusses für unbegründet und gab der Klage nur hinsichtlich des Hilfsantrags statt.
Die Gründe:
Wendet sich ein Wohnungseigentümer mit der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung eines Beschlussantrags (sog. Negativbeschluss), hat er hiermit nur dann Erfolg, wenn lediglich die beantragte positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, also insoweit das Ermessen auf Null reduziert war. Dies ist nicht der Fall, wenn es zulässige Alternativen zu dem beantragten Vorgehen gibt. Es verhält sich insofern anders als bei der Beschlussersetzungsklage, die trotz eines auf eine bestimmte Maßnahme gerichteten Klageantrags schon dann begründet ist, wenn die Voraussetzungen für die Ersetzung eines so genannten Grundlagenbeschlusses vorliegen (BGH, Urt. v. 23.6.2023 - V ZR 158/22).
Hier gab es durchaus denkbare Alternativen zu der beantragten Beschlussfassung. Möglich wäre etwa die Genehmigung der baulichen Veränderung, ggf. unter Auflagen oder eine Vermietung der gemeinschaftlichen Fläche an den Eigentümer P. Zudem könnte das im Zaun angebrachte Tor dauerhaft geöffnet werden und so der ungehinderte Zutritt für alle Wohnungseigentümer ermöglicht werden, oder die Wohnungseigentümer könnten jeweils einen entsprechenden Schlüssel erhalten. Auch könnten die Eigentümer hinsichtlich dieser Grünfläche eine Benutzungsregelung treffen und entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Pflege durch die Gemeinschaft erfolgt.
Infolgedessen ist der Beschlussersetzungsantrag, der darauf gerichtet war, den Wohnungseigentümer P. zu verpflichten, den Zaun zu versetzen, unbegründet. Denn mit dieser Beschlussersetzung wird ausschließlich die Versetzung des Zauns beantragt. Das Auferlegen einer Handlungspflicht entspricht aber schon nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Zwar sind entsprechende "Aufforderungsbeschlüsse" nach neuerer BGH-Rechtsprechung (BGH Urt. v. 21.7.2023 - V ZR 215/21) nächstliegend als Willensbildungsbeschluss über die Frage, ob bestimmte Nutzungen oder bauliche Veränderungen für unzulässig gehalten wird, auszulegen. Dies führt aber nicht dazu, dass eine solche Handlungsverpflichtung durch einen Ersetzungsbeschluss zu tenorieren wäre. Hier konnte ein solcher Beschluss schon deswegen nicht ersetzt werden, da es Alternativen zum Versetzen des Zauns gibt und die Wohnungseigentümer insoweit noch ihr Ermessen auszuüben haben.
Der auf Ersetzung des Grundlagenbeschlusses gerichtete Hilfsantrag war hingegen erfolgreich. Da mehrere Möglichkeiten ordnungsgemäßer Beschlussfassung in Betracht kamen, war nur anzuordnen, dass die Eigentümer in der nächsten Eigentümerversammlung über die weitere Vorgehensweise eine Beschlussfassung herbeizuführen haben. Erst wenn eine solche Beschlussfassung unterbleibt, wäre auf Begehren eines Eigentümers eine weitergehende Beschlussersetzung durch das Gericht anzuordnen.
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Justiz NRW
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der Miteigentümer P. hatte in der Vergangenheit - ohne dass dies durch Vereinbarung oder Beschluss genehmigt war - über sein Sondernutzungsrecht hinausgehend einen Stabmattenzaun errichtet, der auch die an das Sondernutzungsrecht angrenzende gemeinschaftliche Grünfläche teilweise einfasst. In einer Eigentümerversammlung wurde über folgenden Beschlussantrag ein Negativbeschluss gefasst: "Der Eigentümer P. wird verpflichtet, den von ihm errichteten Zaun in den Bereich seines Sondernutzungsrechtes zu versetzen."
Der Kläger wandte sich gegen diesen Negativbeschluss und begehrte Beschlussersetzung. Er war der Ansicht, dass das Ermessen der Wohnungseigentümer auf Null reduziert war, da lediglich ein Versetzen des Zauns ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde. Den übrigen Wohnungseigentümern sei die Nutzung der Fläche unmöglich. Der Kläger behauptete, dass der Eigentümer P. für die Pflege der gemeinschaftlichen Grünfläche Fördergelder erhalte. Auch sei das Sondernutzungsrecht des Eigentümers P. vor Errichtung des Stabmattenzauns nicht "optisch vergrößert" gewesen.
Die Beklagte hielt dagegen, dass in der Ablehnung des streitgegenständlichen Beschlussantrags eine nachträgliche Genehmigung der baulichen Veränderung zu sehen sei. Diese sei ermessensfehlerfrei ergangen. Der Eigentümer P. erhalte für die Pflege der gemeinschaftlichen Grünfläche keine Fördergelder. Zudem sei sein Sondernutzungsrecht schon früher durch eine Mauer, die auf der gemeinschaftlichen Grünfläche stand, "optisch vergrößert" gewesen.
Das AG hielt die Anfechtung des Negativbeschlusses für unbegründet und gab der Klage nur hinsichtlich des Hilfsantrags statt.
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Wendet sich ein Wohnungseigentümer mit der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung eines Beschlussantrags (sog. Negativbeschluss), hat er hiermit nur dann Erfolg, wenn lediglich die beantragte positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, also insoweit das Ermessen auf Null reduziert war. Dies ist nicht der Fall, wenn es zulässige Alternativen zu dem beantragten Vorgehen gibt. Es verhält sich insofern anders als bei der Beschlussersetzungsklage, die trotz eines auf eine bestimmte Maßnahme gerichteten Klageantrags schon dann begründet ist, wenn die Voraussetzungen für die Ersetzung eines so genannten Grundlagenbeschlusses vorliegen (BGH, Urt. v. 23.6.2023 - V ZR 158/22).
Hier gab es durchaus denkbare Alternativen zu der beantragten Beschlussfassung. Möglich wäre etwa die Genehmigung der baulichen Veränderung, ggf. unter Auflagen oder eine Vermietung der gemeinschaftlichen Fläche an den Eigentümer P. Zudem könnte das im Zaun angebrachte Tor dauerhaft geöffnet werden und so der ungehinderte Zutritt für alle Wohnungseigentümer ermöglicht werden, oder die Wohnungseigentümer könnten jeweils einen entsprechenden Schlüssel erhalten. Auch könnten die Eigentümer hinsichtlich dieser Grünfläche eine Benutzungsregelung treffen und entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Pflege durch die Gemeinschaft erfolgt.
Infolgedessen ist der Beschlussersetzungsantrag, der darauf gerichtet war, den Wohnungseigentümer P. zu verpflichten, den Zaun zu versetzen, unbegründet. Denn mit dieser Beschlussersetzung wird ausschließlich die Versetzung des Zauns beantragt. Das Auferlegen einer Handlungspflicht entspricht aber schon nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Zwar sind entsprechende "Aufforderungsbeschlüsse" nach neuerer BGH-Rechtsprechung (BGH Urt. v. 21.7.2023 - V ZR 215/21) nächstliegend als Willensbildungsbeschluss über die Frage, ob bestimmte Nutzungen oder bauliche Veränderungen für unzulässig gehalten wird, auszulegen. Dies führt aber nicht dazu, dass eine solche Handlungsverpflichtung durch einen Ersetzungsbeschluss zu tenorieren wäre. Hier konnte ein solcher Beschluss schon deswegen nicht ersetzt werden, da es Alternativen zum Versetzen des Zauns gibt und die Wohnungseigentümer insoweit noch ihr Ermessen auszuüben haben.
Der auf Ersetzung des Grundlagenbeschlusses gerichtete Hilfsantrag war hingegen erfolgreich. Da mehrere Möglichkeiten ordnungsgemäßer Beschlussfassung in Betracht kamen, war nur anzuordnen, dass die Eigentümer in der nächsten Eigentümerversammlung über die weitere Vorgehensweise eine Beschlussfassung herbeizuführen haben. Erst wenn eine solche Beschlussfassung unterbleibt, wäre auf Begehren eines Eigentümers eine weitergehende Beschlussersetzung durch das Gericht anzuordnen.
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