WEG: Wohnungseigentümer muss Solaranlage auf dem Balkon entfernen
BGH v. 18.7.2025 - V ZR 29/24Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Im Jahr 2004 war er vom AG zur Entfernung der an der Brüstung seines zum Hof gelegenen Balkons befestigten Solaranlage verpflichtet worden; eine Zwangsvollstreckung scheiterte allerdings aus unbekannten Gründen. Derzeit befindet sich über die gesamte Länge des Balkons eine aus neun Solarplatten bestehende Solaranlage, von der nicht bekannt ist, ob sie an der Balkonbrüstung oder an einer auf dem Balkon stehenden Konstruktion montiert ist.
Die Anlage hebt sich erheblich von der Gestaltung der anderen Balkone ab. Sie ist deutlich sichtbar, jedenfalls nachdem die Klägerin zwischen 2018 und 2022 Bäume, Sträucher und Pflanzen auf der Hofseite des Objekts entfernt bzw. zurückgeschnitten hatte.
Mit ihrer im Jahr 2022 erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zum Rückbau der Sonnenkollektoren dergestalt, dass sie von außen nicht mehr sichtbar sind. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat sie im Berufungsverfahren abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin war vor dem BGH erfolgreich.
Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung konnte die Klage nicht abgewiesen werden.
Wird ein Wohnungseigentümer gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Beseitigung einer baulichen Veränderung in Anspruch genommen, findet das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung Anwendung, wenn die bauliche Veränderung zu diesem Zeitpunkt bereits
abgeschlossen war (so bereits Senat, Urt. v. 21.3.2025 - V ZR 1/24). Entscheidend ist, welches Rechtsregime bei Vornahme der baulichen Veränderung gilt; (nur) darauf können und müssen sich sowohl der eine Veränderung beabsichtigende Wohnungseigentümer als auch die übrigen Wohnungseigentümer einstellen. Wird eine rechtswidrige bauliche Veränderung vorgenommen, entsteht der Beseitigungsanspruch.
Der Sachverhalt war abgeschlossen und unterlag dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht. Aus diesem Grund kam es bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob und wann Pflanzen entfernt worden waren, die die Veränderung zunächst möglicherweise verdeckt hatten. Das konnte allein mit Blick auf die - hier allerdings nicht eingewandte - kenntnisabhängige regelmäßige Verjährung (§ 199 Abs. 1 BGB) des aus § 1004 Abs. 1 BGB folgenden Anspruchs eine Rolle spielen. Hier ließ sich den Feststellungen nicht entnehmen, wann die bauliche Veränderung vorgenommen worden war. Unklar war schon, ob es sich noch um die bereits im Jahr 2004 - und damit weit vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) - vorhandene Solaranlage handelte.
Sollte neues Recht anzuwenden sein, könnte die Entscheidung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben. Geht man mit dem Berufungsgericht davon aus, dass die Solaranlage eine bauliche Veränderung i.S.d. § 20 Abs. 1 WEG darstellt, muss sie, wie das Berufungsgericht noch richtig erkannt hat, gem. § 20 Abs. 1 WEG n.F grundsätzlich durch Beschluss gestattet werden (sog. Beschlusszwang). Fehlt ein solcher, darf die bauliche Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht vorgenommen werden und stellt eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB dar.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB folgenden Beseitigungsanspruch, wie der Senat allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (vgl. Urteil v. 21.3.2025 - V ZR 1/24), ein nach § 20 Abs. 3 WEG bestehender Anspruch auf Gestattung nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegengehalten werden. Vielmehr muss der bauwillige Wohnungseigentümer während des erstinstanzlichen Beseitigungsverfahrens eine auf Beschlussersetzung gerichtete Widerklage erheben.
Hier ist eine Gestattung weder durch Beschluss erfolgt noch ist ein Gestattungsbeschluss gerichtlich ersetzt worden. Einen Anspruch auf Gestattung hatte der Beklagte zwar in erster Instanz mit der Widerklage geltend gemacht, deren Abweisung durch das AG aber nicht mit der Berufung angegriffen. Ob ein Gestattungsanspruch besteht, war deshalb unerheblich.
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