26.10.2023

Wenn der Berg ruft - Wer muss für die Bergrettung mittels Helikopter zahlen?

Auch wenn einem Teilnehmer aufgrund seiner Erfahrung und seiner Leistungsfähigkeit von Anfang an oder in einer Notsituation auf natürliche Weise das Gesetz des Handelns zuwächst, entsteht daraus nicht ohne weiteres eine Partie, die einer geführten Gruppe gleichsteht. Es bleibt vielmehr eine klassische Gefahrengemeinschaft, die im vorliegenden Fall eine Haftung des Beklagten wegen Pflichtverletzung ausgeschlossen hat.

LG München I v. 24.10.2023, 27 O 3674/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten sich im November 2021 zu einer gemeinsamen Bergtour auf die Rappenklammspitze im Karwendel verabredet. Der Beklagte verfügte nach eigenen Angaben über Erfahrungen als Wanderer, Bergsteiger und Skitourengeher, hatte jedoch keine qualifizierte Alpinausbildung. Die Klägerin selbst bezeichnete sich als nicht sehr erfahrene Gelegenheitswanderin.

Als die Parteien unterhalb des Gipfels gekommen waren, stellte die Klägerin fest, dass ihr die Besteigung des Gipfels aufgrund von Fels und Eis zu schwierig sei. Der Beklagte schlug daraufhin vor, man könne statt der Gipfelbesteigung ja auch eine Rundtour machen und einen anderen Weg ins Tal zurücknehmen als entlang der Aufstiegsroute. Die Klägerin stimmte dem zu in dem Bewusstsein, dass der Beklagte die Navigation lediglich mithilfe seines Mobiltelefons bewerkstelligen würde; eine Landkarte hatten beide nicht dabei.

Die Wegfindung gestaltete sich in der Folge jedoch aufgrund von Schnee und fehlenden Spuren anderer Wanderer zunehmend schwierig. Die Klägerin bekam Bedenken, da die Nacht hereinzubrechen drohte. Dennoch setzte sie die Tour mit dem Beklagten weiter fort, ohne auf eine Umkehr zu drängen. Als die beiden Wanderer einen Punkt an einer Felswand erreicht hatten, den die Klägerin nicht hinabsteigen wollte, entschieden sie sich gemeinsam, die Rettung zu alarmieren.

Später wurden der Klägerin von der Flugrettung Kosten i.H.v. 8.430 € in Rechnung gestellt. Sie beglich diese Rechnung, nahm jedoch den Beklagten auf Erstattung dieser Kosten in Anspruch. Sie war der Ansicht, der Beklagte hafte ihr aufgrund eines Gefälligkeitsvertrags, zumindest jedoch aus unerlaubter Handlung. Er habe als faktischer Bergführer dafür Sorge tragen müssen, dass sich die Klägerin nicht unterkühle.

Das LG wies die Klage ab. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Zahlungsanspruch aus einem Gefälligkeitsvertrag noch aus einer Haftung wegen rechtswidriger Herbeiführung einer Unterkühlung.

Eine rein private gemeinsame Freizeitveranstaltung wie hier ist für sich genommen nicht geeignet, eine vertragliche Haftung zu begründen. Im Vordergrund steht dabei in der Regel der soziale Kontakt und nicht etwa der Wille der Beteiligten, sich rechtlich zu binden. Die Bereitschaft des Beklagten, die Tourenplanung zu übernehmen, war somit in Ansehung des Umstands, dass es sich nicht um eine kommerziell geführte Tour handelte, sondern um einen Ausflug zweier jedenfalls freundschaftlich miteinander verbundener Personen, als eine übliche Gefälligkeit des täglichen Lebens zu qualifizieren.

Wie auch sonst im Leben ist in einem solchen Fall von der Eigenverantwortung des Einzelnen auszugehen. Im Regelfall hat jeder Alpinist zunächst für sich selbst zu sorgen. Auch wenn einem Teilnehmer aufgrund seiner Erfahrung und seiner Leistungsfähigkeit von Anfang an oder in einer Notsituation auf natürliche Weise das Gesetz des Handelns zuwächst, entsteht daraus nicht ohne weiteres eine Partie, die einer geführten Gruppe gleichsteht. Es bleibt vielmehr eine klassische Gefahrengemeinschaft, die im vorliegenden Fall eine Haftung des Beklagten wegen Pflichtverletzung ausgeschlossen hat. Hierfür sprach auch, dass die Klägerin und der Beklagte die Entscheidungen am Berg gemeinsam getroffen hatten.

Dass der Beklagte sich in einem als Flirt gehaltenen Chat mit der Klägerin vorab als "Ihr persönlicher Bergführer" bezeichnet hatte, änderte nichts an der Bewertung. Die Klägerin hatte bereits unterhalb des Gipfels klargestellt, dass sie den Gipfel wegen der dort herrschenden Verhältnisse nicht erklimmen wollte, obwohl dies der ursprüngliche Plan der Parteien gewesen war. Diese Entscheidung zeigte, dass sie in der Lage war, ihre eigenen Fähigkeiten richtig einzuschätzen, dies gegenüber dem Beklagten zu artikulieren und eine gemeinsame Entscheidung hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Tour herbeizuführen. Hierfür sprach auch, dass die beiden gemeinsam entschieden hatten, die Bergrettung zu rufen.

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LG München PM vom 25.10.2023
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