Wucher im Rahmen eines "Sale-and-rent-back-Geschäftsmodells" verdient keinen Schutz
OLG Karlsruhe v. 7.10.2025 - 19 U 121/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte sein Auto, dessen Händlereinkaufswert laut Sachverständigen bei 112.000 € lag, im Rahmen eines sale-and-rent-back-Geschäftsmodells (also dem gewerbsmäßigen Ankauf eines Kfz mit anschließender Vermietung an den Verkäufer) für 50.000 € an die Beklagten verkauft. Es kam zu Unstimmigkeiten und der Kläger wollte den Vertrag rückgängig machen. Darauf gingen die Beklagten jedoch nicht ein. Das LG gab der anschließenden Klage statt. Es sah in dem Kaufvertrag ein wucherähnliches Geschäft i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB. Das Gericht sprach dem Kläger die Herausgabe des Fahrzeugs sowie die Rückzahlung seiner bisher entrichteten Miete inklusive Bearbeitungsgebühren zu. Die Hilfswiderklage der Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises wurde abgewiesen.
Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Das LG lasse außer Betracht, dass sich die Sittenwidrigkeit nicht aus der Eingangsbetrachtung des vereinbarten Kaufpreises zum Wert des Fahrzeugs ergebe. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass die Beklagten sehr schnell liquide Mittel zur Verfügung gestellt hätten und der Kläger das Fahrzeug hätte weiter nutzen können. Im Rahmen der Widerklage habe das LG zu Unrecht § 817 Satz 2 BGB angewandt.
Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, allerdings im Hinblick auf die abgewiesene Hilfswiderklage die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kaufvertrag war nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Danach können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat
Bei einem Händlereinkaufswert von 112.000 € und vereinbartem Kaufpreis von (nur) 50.000 € konnte durchaus von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden. Da der tatsächliche Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs mehr als doppelt so hoch war wie der vereinbarte Kaufpreis, war der Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten gerechtfertigt. Gegen diese Vermutung sprach nicht der Umstand, dass der Geschäftsführer verschiedener Gesellschaften war oder ist. Zwar entspricht es der BGH-Rechtsprechung, dass eine tatsächliche Vermutung für die verwerfliche Gesinnung nicht besteht, wenn es sich bei dem benachteiligten Geschäftspartner um einen Kaufmann (§ 1 Absatz 1, § 5 HGB) handelt (BGH, Urt. v. 16.11.2022, VIII ZR 436/21). Die Tätigkeit als Geschäftsführer für eine Gesellschaft genügt jedoch nicht für die Annahme einer Kaufmannseigenschaft der Kläger (persönlich) im vorgenannten Sinne.
Aus der Nichtigkeit des Kaufvertrags folgte die Nichtigkeit des Mietvertrages sowie der ergänzend geschlossenen "Individualvereinbarung". Schließlich waren diese Verträge Teile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts i.S.v. § 139 BGB. Die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags führte auch zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Erfüllung des Kaufvertrags erfolgten Übereignung des Kfz mit der Folge, dass der Kläger das Eigentum an dem Fahrzeug nicht durch eine Übereignung an die Beklagte verloren hatte.
Vergeblich wandten sich die Beklagten gegen die Verurteilung zur Rückzahlung von 30.099 € im Hinblick auf die geleisteten Mietzahlungen. Der Anspruch folgte aus § 812 Absatz 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Die Nichtigkeit des Mietvertrags hatte zur Folge, dass ein Rechtsgrund für die Zahlung der Bearbeitungsgebühr und der Miete von Anfang an nicht bestanden hat. Ebenso vergeblich wandten sich die Beklagten gegen die Abweisung ihrer Hilfswiderklage, mit der sie den Kläger auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 50.000 € in Anspruch genommen hatten. Denn nach § 817 Satz 2 BGB ist die Rückforderung einer Leistung nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls oder auch nur ihm ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt.
Eine einschränkende Auslegung des § 817 Satz 2 BGB war nicht geboten (entgegen OLG München, Urt. v. 27.2.2025, 32 U 2389/24 e). Eine solche kommt nur in Betracht, wenn der Sinn und Zweck eines Verbotsgesetzes, gegen das der Leistende verstößt, die Gewährung eines solchen Anspruchs zwingend erfordert, wenn die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustands mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar ist und deshalb von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann, oder wenn der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB aus anderen Gründen die Grundsätze von Treu und Glauben entgegen stehen.
Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor. Insbesondere führte es nicht zu einem unbilligen Ergebnis, wenn der Kläger den erhaltenen Kaufpreis nicht zurückzahlen muss. Die Beklagten haben sich selbst durch ihr sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung gestellt. Gerade für diesen Fall sieht § 817 Satz 2 BGB einen Rückforderungsausschluss vor. Dies ist auch deshalb gerechtfertigt, damit die Beklagten ihr wucherisches Geschäftsmodell nicht risikolos fortführen können.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Der Kläger hatte sein Auto, dessen Händlereinkaufswert laut Sachverständigen bei 112.000 € lag, im Rahmen eines sale-and-rent-back-Geschäftsmodells (also dem gewerbsmäßigen Ankauf eines Kfz mit anschließender Vermietung an den Verkäufer) für 50.000 € an die Beklagten verkauft. Es kam zu Unstimmigkeiten und der Kläger wollte den Vertrag rückgängig machen. Darauf gingen die Beklagten jedoch nicht ein. Das LG gab der anschließenden Klage statt. Es sah in dem Kaufvertrag ein wucherähnliches Geschäft i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB. Das Gericht sprach dem Kläger die Herausgabe des Fahrzeugs sowie die Rückzahlung seiner bisher entrichteten Miete inklusive Bearbeitungsgebühren zu. Die Hilfswiderklage der Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises wurde abgewiesen.
Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Das LG lasse außer Betracht, dass sich die Sittenwidrigkeit nicht aus der Eingangsbetrachtung des vereinbarten Kaufpreises zum Wert des Fahrzeugs ergebe. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass die Beklagten sehr schnell liquide Mittel zur Verfügung gestellt hätten und der Kläger das Fahrzeug hätte weiter nutzen können. Im Rahmen der Widerklage habe das LG zu Unrecht § 817 Satz 2 BGB angewandt.
Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, allerdings im Hinblick auf die abgewiesene Hilfswiderklage die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kaufvertrag war nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Danach können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat
Bei einem Händlereinkaufswert von 112.000 € und vereinbartem Kaufpreis von (nur) 50.000 € konnte durchaus von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden. Da der tatsächliche Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs mehr als doppelt so hoch war wie der vereinbarte Kaufpreis, war der Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten gerechtfertigt. Gegen diese Vermutung sprach nicht der Umstand, dass der Geschäftsführer verschiedener Gesellschaften war oder ist. Zwar entspricht es der BGH-Rechtsprechung, dass eine tatsächliche Vermutung für die verwerfliche Gesinnung nicht besteht, wenn es sich bei dem benachteiligten Geschäftspartner um einen Kaufmann (§ 1 Absatz 1, § 5 HGB) handelt (BGH, Urt. v. 16.11.2022, VIII ZR 436/21). Die Tätigkeit als Geschäftsführer für eine Gesellschaft genügt jedoch nicht für die Annahme einer Kaufmannseigenschaft der Kläger (persönlich) im vorgenannten Sinne.
Aus der Nichtigkeit des Kaufvertrags folgte die Nichtigkeit des Mietvertrages sowie der ergänzend geschlossenen "Individualvereinbarung". Schließlich waren diese Verträge Teile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts i.S.v. § 139 BGB. Die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags führte auch zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Erfüllung des Kaufvertrags erfolgten Übereignung des Kfz mit der Folge, dass der Kläger das Eigentum an dem Fahrzeug nicht durch eine Übereignung an die Beklagte verloren hatte.
Vergeblich wandten sich die Beklagten gegen die Verurteilung zur Rückzahlung von 30.099 € im Hinblick auf die geleisteten Mietzahlungen. Der Anspruch folgte aus § 812 Absatz 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Die Nichtigkeit des Mietvertrags hatte zur Folge, dass ein Rechtsgrund für die Zahlung der Bearbeitungsgebühr und der Miete von Anfang an nicht bestanden hat. Ebenso vergeblich wandten sich die Beklagten gegen die Abweisung ihrer Hilfswiderklage, mit der sie den Kläger auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 50.000 € in Anspruch genommen hatten. Denn nach § 817 Satz 2 BGB ist die Rückforderung einer Leistung nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls oder auch nur ihm ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt.
Eine einschränkende Auslegung des § 817 Satz 2 BGB war nicht geboten (entgegen OLG München, Urt. v. 27.2.2025, 32 U 2389/24 e). Eine solche kommt nur in Betracht, wenn der Sinn und Zweck eines Verbotsgesetzes, gegen das der Leistende verstößt, die Gewährung eines solchen Anspruchs zwingend erfordert, wenn die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustands mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar ist und deshalb von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann, oder wenn der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB aus anderen Gründen die Grundsätze von Treu und Glauben entgegen stehen.
Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor. Insbesondere führte es nicht zu einem unbilligen Ergebnis, wenn der Kläger den erhaltenen Kaufpreis nicht zurückzahlen muss. Die Beklagten haben sich selbst durch ihr sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung gestellt. Gerade für diesen Fall sieht § 817 Satz 2 BGB einen Rückforderungsausschluss vor. Dies ist auch deshalb gerechtfertigt, damit die Beklagten ihr wucherisches Geschäftsmodell nicht risikolos fortführen können.
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