Zu den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung
BGH v. 29.7.2025 - VI ZB 57/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer Presseberichterstattung auf deren Löschung, Auskunftserteilung, Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und auf Geldentschädigung in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Der Kläger könnte den Artikel selbst bei Unzulässigkeit einer ihn identifizierenden Verdachtsberichterstattung nicht vollständig verbieten lassen. Ebenso wenig könne er von der Beklagten eine Geldentschädigung verlangen. Insoweit fehle es bereits an einem schwerwiegenden Eingriff, der nach den Vorgaben höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könnte. Ein solch schwerer Eingriff sei nicht dargetan, zumal sich die Beklagte bereits in der angegriffenen Berichterstattung auf die Seite des Klägers schlage und zu erkennen gebe, dass sie den Vorwurf des Insiderhandels mit Blick auf die Kursentwicklung der WireCard-Aktie für "unwahrscheinlich" halte.
Das OLG wies den Kläger durch Beschluss darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung hinsichtlich des Antrags auf Geldentschädigung als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründung insoweit den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Der Kläger führe nur aus, warum ihm ein Anspruch auf Löschung des gesamten Artikels zustehe. So seien die Grenzen der Verdachtsberichterstattung aus mehreren Gründen überschritten. Nur eine Löschung des gesamten Beitrags könne die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers ausräumen. Demgegenüber erfolge keine Auseinandersetzung mit der Begründung des Urteils des LG, mit welcher dieses den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung auch damit verneint habe, dass keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliege, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordere.
Mit dem hier angegriffenen Beschluss verwarf das OLG die Berufung des Klägers hinsichtlich des Antrags auf Geldentschädigung gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig. Soweit die Berufung des Klägers bzgl. des Antrags auf Geldentschädigung unzulässig sei, weil die Berufungsbegründung nicht alle Angriffspunkte erfasse, habe der Kläger gegen die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss nichts Durchgreifendes vorgebracht. Der Kläger verkenne, dass sich bei - wie hier vorliegenden - teilbaren Streitgegenständen die Berufungsgründe auf alle Teile des Urteils erstrecken müssten, hinsichtlich derer eine Abänderung begehrt werde. Das LG habe die Abweisung des Entschädigungsantrags damit begründet, dass es an einem schwerwiegenden Eingriff, der nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könnte, fehle. Dabei handele es sich um eine selbständig tragende rechtliche Erwägung, welche von der Berufung nicht angegriffen werde. Insoweit verhelfe der Berufung auch nicht die Inbezugnahme der Schriftsätze erster Instanz, welche sich naturgemäß nicht zu der konkreten Begründung der angefochtenen Entscheidung verhielten.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden; die Vorschrift stellt keine besonderen formalen Anforderungen hierfür auf. Für die Zulässigkeit der Berufung ist auch ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Zur Bezeichnung des Umstands, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, genügt regelmäßig die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem des angefochtenen Urteils führt.
Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen. Dabei ist aber stets zu beachten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weitergehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.
Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht. In der Berufungsbegründung ist eingangs ausgeführt, dass das LG zu Unrecht die weiterverfolgten Klageanträge abgewiesen habe. Das Urteil werde insoweit in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt. Es werde die Verletzung materiellen Rechts gerügt, als auch, dass die Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung unrichtig und unvollständig erfolgt sei. Im Anschluss daran ist ausgeführt, dass und warum dem Kläger ein Anspruch auf Löschung des gesamten Artikels zustehe. Abschließend heißt es: "Ich nehme im Übrigen auf den gesamten Sach- und Rechtsvortrag aus der I. Instanz ausdrücklich Bezug, insbesondere auf den bereits zitierten Klageschriftsatz und die weiteren Schriftsätze."
Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, welche Gründe der Kläger der Auffassung des LG, er könne von der Beklagten keine Geldentschädigung verlangen, weil es bereits an einem schwerwiegenden Eingriff fehle, der nach den Vorgaben höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könnte, entgegensetzt. Die abschließende Bezugnahme auf "den gesamten Sach- und Rechtsvortrag aus der I. Instanz" ist nicht ansatzweise spezifiziert, sondern völlig pauschal. Abweichendes folgt nicht aus der Erläuterung der Rechtsbeschwerde, dass sich bereits aus dem erstinstanzlichen Vortrag ergebe, weshalb die Begründung des erstinstanzlichen Urteils fehlerhaft sei. Denn auch dann bedarf es hinreichend konkreter und aus sich heraus verständlicher Angaben in der Berufungsbegründung.
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Kommentierung | ZPO
§ 520 Berufungsbegründung
Heßler in Zöller, Zivilprozessordnung, 36. Aufl. 2026
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Der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer Presseberichterstattung auf deren Löschung, Auskunftserteilung, Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und auf Geldentschädigung in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Der Kläger könnte den Artikel selbst bei Unzulässigkeit einer ihn identifizierenden Verdachtsberichterstattung nicht vollständig verbieten lassen. Ebenso wenig könne er von der Beklagten eine Geldentschädigung verlangen. Insoweit fehle es bereits an einem schwerwiegenden Eingriff, der nach den Vorgaben höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könnte. Ein solch schwerer Eingriff sei nicht dargetan, zumal sich die Beklagte bereits in der angegriffenen Berichterstattung auf die Seite des Klägers schlage und zu erkennen gebe, dass sie den Vorwurf des Insiderhandels mit Blick auf die Kursentwicklung der WireCard-Aktie für "unwahrscheinlich" halte.
Das OLG wies den Kläger durch Beschluss darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung hinsichtlich des Antrags auf Geldentschädigung als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründung insoweit den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Der Kläger führe nur aus, warum ihm ein Anspruch auf Löschung des gesamten Artikels zustehe. So seien die Grenzen der Verdachtsberichterstattung aus mehreren Gründen überschritten. Nur eine Löschung des gesamten Beitrags könne die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers ausräumen. Demgegenüber erfolge keine Auseinandersetzung mit der Begründung des Urteils des LG, mit welcher dieses den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung auch damit verneint habe, dass keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliege, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordere.
Mit dem hier angegriffenen Beschluss verwarf das OLG die Berufung des Klägers hinsichtlich des Antrags auf Geldentschädigung gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig. Soweit die Berufung des Klägers bzgl. des Antrags auf Geldentschädigung unzulässig sei, weil die Berufungsbegründung nicht alle Angriffspunkte erfasse, habe der Kläger gegen die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss nichts Durchgreifendes vorgebracht. Der Kläger verkenne, dass sich bei - wie hier vorliegenden - teilbaren Streitgegenständen die Berufungsgründe auf alle Teile des Urteils erstrecken müssten, hinsichtlich derer eine Abänderung begehrt werde. Das LG habe die Abweisung des Entschädigungsantrags damit begründet, dass es an einem schwerwiegenden Eingriff, der nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könnte, fehle. Dabei handele es sich um eine selbständig tragende rechtliche Erwägung, welche von der Berufung nicht angegriffen werde. Insoweit verhelfe der Berufung auch nicht die Inbezugnahme der Schriftsätze erster Instanz, welche sich naturgemäß nicht zu der konkreten Begründung der angefochtenen Entscheidung verhielten.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden; die Vorschrift stellt keine besonderen formalen Anforderungen hierfür auf. Für die Zulässigkeit der Berufung ist auch ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Zur Bezeichnung des Umstands, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, genügt regelmäßig die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem des angefochtenen Urteils führt.
Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen. Dabei ist aber stets zu beachten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weitergehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.
Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht. In der Berufungsbegründung ist eingangs ausgeführt, dass das LG zu Unrecht die weiterverfolgten Klageanträge abgewiesen habe. Das Urteil werde insoweit in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt. Es werde die Verletzung materiellen Rechts gerügt, als auch, dass die Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung unrichtig und unvollständig erfolgt sei. Im Anschluss daran ist ausgeführt, dass und warum dem Kläger ein Anspruch auf Löschung des gesamten Artikels zustehe. Abschließend heißt es: "Ich nehme im Übrigen auf den gesamten Sach- und Rechtsvortrag aus der I. Instanz ausdrücklich Bezug, insbesondere auf den bereits zitierten Klageschriftsatz und die weiteren Schriftsätze."
Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, welche Gründe der Kläger der Auffassung des LG, er könne von der Beklagten keine Geldentschädigung verlangen, weil es bereits an einem schwerwiegenden Eingriff fehle, der nach den Vorgaben höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könnte, entgegensetzt. Die abschließende Bezugnahme auf "den gesamten Sach- und Rechtsvortrag aus der I. Instanz" ist nicht ansatzweise spezifiziert, sondern völlig pauschal. Abweichendes folgt nicht aus der Erläuterung der Rechtsbeschwerde, dass sich bereits aus dem erstinstanzlichen Vortrag ergebe, weshalb die Begründung des erstinstanzlichen Urteils fehlerhaft sei. Denn auch dann bedarf es hinreichend konkreter und aus sich heraus verständlicher Angaben in der Berufungsbegründung.
Kommentierung | ZPO
§ 520 Berufungsbegründung
Heßler in Zöller, Zivilprozessordnung, 36. Aufl. 2026
10/2025
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