25.11.2013

Zugewinnausgleich: Ungewöhnlich lange Trennungszeit allein rechtfertigt keine unbillige Härte

Allein die Tatsache, dass die Eheleute eine ungewöhnlich lange Trennungszeit hinter sich haben, rechtfertigt nicht die Annahme einer unbilligen Härte der Ausgleichpflicht im Rahmen des Zugewinnausgleichs. Vielmehr müssen weitere Gründe dazukommen, aus denen sich ein solches Leistungsverweigerungsrecht ergibt.

BGH 9.10.2013, XII ZR 125/12
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten im Juli 1972 geheiratet. Seit Januar 1990 leben sie getrennt. Im Juni 2007 wurde dem Beklagten der Scheidungsantrag zugestellt. Bald darauf erfolgte die Scheidung mit Teil-Versäumnis- und Endurteil. Beim Versorgungsausgleich wurde der Klägerin antragsgemäß ein Zugewinn i.H.v. 596.938 € zuerkannt. Hiergegen legte der Beklagte Einspruch ein, soweit er zu einem höheren Zugewinnausgleich als 109.122 € verurteilt worden war.

Unstreitig hatten beide Parteien kein Anfangsvermögen. Dem Anfangsvermögen des Beklagten war eine im Juni 1996 angefallene Erbschaft i.H.v. 122.710 € zuzurechnen. Auch das Endvermögen war mit Ausnahme von drei Grundstücken i.H.v. 102.502 € Aktivvermögen sowie i.H.v. 2.553 € Verbindlichkeiten unstreitig. Die Parteien stritten vielmehr über die Bewertung von drei Grundstücken an einem See im Anfangs- und Endvermögen, die dem Beklagten im Oktober 1982 von seiner Mutter geschenkt worden waren. Im Juni 1984 wurde der Nießbrauch im Grundbuch gelöscht.

Das AG hielt das Teil-Versäumnisurteil insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte verurteilt worden war, an die Klägerin einen Zugewinnausgleich von 456.997 € zu zahlen. Das OLG hielt das Teil-Versäumnisurteil hingegen nur insoweit aufrecht, als der Beklagte zur Zahlung von 344.175 € verurteilt worden war. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf, soweit das Teil-Versäumnisurteil des AG über den Betrag von 109.122 € hinaus aufrechterhalten worden war. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Auf das Verfahren war gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis zum 31.8.2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden war. Außerdem fand auf den Rechtsstreit, der vor dem 1.9.2009 anhängig geworden war, nach Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB die Bestimmungen des gesetzlichen Güterrechts in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.7. 2009 mit Ausnahme des § 1374 BGB Anwendung.

Hinsichtlich des dem Beklagten nicht zugebilligten Leistungsverweigerungsrechts nach § 1381 BGB machte die Revision geltend, das OLG habe die Würdigung aller maßgeblichen Umstände unterlassen; mit der gegebenen Begründung werde eine grobe Unbilligkeit nicht ausgeräumt. Damit hatte die Revision allerdings keinen Erfolg. Denn allein die Tatsache, dass die Parteien ungewöhnlich lange keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr unterhalten hatten, rechtfertigte nicht die Annahme einer unbilligen Härte der Ausgleichspflicht. Zwar wir im Schrifttum die Auffassung vertreten, in solchen Fällen fehle es an einer wesentlichen Voraussetzung für den Ausgleich des in der Trennungszeit erzielten Zugewinns. Dem vermochte der Senat jedoch nicht zu folgen.

Nach der gesetzlichen Regelung des § 1384 BGB fällt die Trennungszeit bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags in den Zeitraum, für den ein Zugewinnausgleich stattfindet. Vermögensänderungen, die in der Zeit zwischen der Trennung und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eingetreten sind, sind deshalb in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen. Die §§ 1385, 1386 BGB sehen allerdings einen vorzeitigen Zugewinnausgleich bzw. die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nach mindestens dreijährigem Getrenntleben vor. Nach dem vor dem 1.9.2009 geltenden Zugewinnausgleichsrecht bestanden vergleichbare Möglichkeiten. Der Ausgleichspflichtige, der von einer Scheidung absehen möchte, ist dadurch in der Lage, einem Ausgleich seines anwachsenden Zugewinns zu begegnen. Wenn er hiervon keinen Gebrauch macht, ist der Ausgleich - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - nicht grob unbillig. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, aus welchen Gründen der eine Ehegatte den höheren Zugewinn erzielt hat.

Die Entscheidung konnte allerdings im Hinblick auf die beanstandete Beweiswürdigung bezüglich des Anfangsvermögens keinen Bestand haben. Der Senat konnte in der Sache nicht abschließend entscheiden, da es hierzu weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedurfte. Im weiteren Verfahren muss berücksichtigt werden, dass im Anfangsvermögen des Beklagten nicht nur die Zuwendung der Grundstücke im Oktober 1982 sowie der Verzicht auf den Nießbrauch zu berücksichtigen sein dürften, sondern auch der fortlaufende Wertzuwachs der Grundstücke, den diese auf-grund des abnehmenden Wertes des Nießbrauchs zwischen dem Grundstückserwerb und dem Verzicht auf das dingliche Recht erfahren haben.

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