27.10.2025

Zum Klagegrund des Schuldbeitritts

Durch den Schuldbeitritt wird ein Gesamtschuldverhältnis begründet, das sich nach dem Beitritt zwar für jeden Gesamtschuldner unterschiedlich entwickeln kann; allerdings wirken die in den §§ 422 bis 424 BGB bezeichneten Tatsachen auch für und gegen den Beitretenden. Wegen dieser engen Verbundenheit der Beitrittsschuld in Entstehung und Entwicklung zu der Schuld, zu der der Beitritt erklärt wird, kann sie von ihr nicht losgelöst betrachtet werden. Zum Klagegrund des Schuldbeitritts gehört deshalb zwangsläufig auch die Schuld, der beigetreten worden ist.

BGH v. 30.9.2025 - II ZR 70/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein im Lebens- und Futtermittelsegment tätiges Unternehmen. Ihre Anteilseigner waren ursprünglich die B. AG (65 %), der Beklagte (20 %) und N. H. (15 %). Der Beklagte war zudem seit dem 28.12.2012 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin. Seit April 2018 waren der Beklagte und N. H. Geschäftsführer der Klägerin. Im März 2018 gründete der Beklagte in Absprache mit der B. AG die in R. ansässige A. srl (im Folgenden: A.), die als sog. Zweckgesellschaft Dienstleistungen für die Klägerin erbringen sollte. Hauptgesellschafter der A. war der Beklagte; ihre Geschäftsführer waren der Beklagte und J. H., der Ehemann von N. H.

Die Gesellschafter der Klägerin vereinbarten am 9.4.2018 die Einrichtung eines Beirats, dem die Genehmigung bestimmter Entscheidungen u.a. über "neue Projekte mit substanziellen Auswirkungen auf das Unternehmen" vorbehalten war. Im Protokoll der Sitzung des Beirats vom 29.6.2018 ist unter dem Titel Silo-Instandsetzung usw. festgehalten, dass alle Teilnehmer dem auf Grundlage zweier Angebote mit voraussichtlichen Gesamtkosten von 400.000 € zustimmen. Am 17.8.2018 sind bei der M. GmbH zur Sanierung eines von der A. in R. betriebenen Silos dafür benötigte Maschinen und Bauteile bestellt worden. Am 5.8.2020 stellte die M. GmbH der Klägerin insgesamt rd. 570.000 € in Rechnung. Die Klägerin beglich die Nettorechnungssumme von rd. 475.000 €, nicht aber die darauf abgerechnete Umsatzsteuer von rd. 95.000 €.

Am 25.9.2018 schlossen die Klägerin und die A. einen verzinslichen Darlehensvertrag über ein Volumen von bis zu 800.000 €. In der Folge zahlte die Klägerin insgesamt rd. 485.000 € an die A. aus. Mit einem von N. H. für die Klägerin und J. H. für die A. unterzeichneten "Darlehensvertrag Nr. 2" vom 15.11.2019 gewährte die Klägerin der A. ein unverzinsliches Darlehen über 270.000 €. Dies entsprach der Höhe der Einlage, die die B. AG auf ihren Geschäftsanteil an der A. zu leisten hatte. Am 3.12.2020 trafen der Beklagte und die Eheleute H. eine Vereinbarung, in der sie die Niederlegung seines Geschäftsführeramts und sein Ausscheiden als Gesellschafter u.a. der Klägerin regelten; darin ist u.a. bestimmt, dass der Beklagte die alleinige Haftung bis zu einer Höhe von 500.000 € für die Kredite übernimmt, die die Klägerin der A. gewährte. Die Klägerin nahm den Beklagten mit ihrer Klage zunächst wegen Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten im Zusammenhang mit der Silo-Instandsetzung auf Schadensersatz in Anspruch. Klageerweiternd beanspruchte sie von ihm gestützt auf die Haftungsübernahmevereinbarung die Zahlung von rd. 485.000 € nebst Zinsen wegen des der A. gewährten Darlehens. 

Das LG wies die auf Geschäftsführerinnenhaftung gestützte Klage ab und gab der erweiterten Klage statt. Das OLG wies die Berufung der Klägerin zurück; auf die Berufung des Beklagten wies es die Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung ab, soweit das LG ihn zur Zahlung von mehr als 270.000 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt hat. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG insoweit auf, als darin zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 544 Abs. 9 ZPO). Es hat der Klägerin mehr zugesprochen, als diese beantragt hat.

Spricht das Gericht dem Kläger entgegen § 308 Abs. 1 ZPO mehr zu, als dieser beantragt hat, liegt darin eine Gehörsverletzung zum Nachteil des Beklagten. Die Bestimmung des Streitgegenstands ist Sache des Klägers. Will er einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführen, muss er zweifelsfrei deutlich machen, dass er einen neuen prozessualen Anspruch verfolgt; ein neuer Sachvortrag genügt als solcher nicht. Dies erfordert der Schutz des Beklagten, für den erkennbar sein muss, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um seine Rechtsverteidigung danach ausrichten zu können. Danach handelt es sich bei der mit der Klageerweiterung geltend gemachten Haftung des Beklagten für das verzinsliche Darlehen, das die Klägerin der A. aufgrund des Darlehensvertrags vom 25.9.2018 über 485.000 € gewährte, und der Verurteilung des Beklagten aufgrund seiner Haftung für ein der A. von der Klägerin gemäß Darlehensvertrag vom 15.11.2019 ausgereichtes unverzinsliches Darlehen über 270.000 € um unterschiedliche Streitgegenstände. 

Daran ändert nichts, dass das OLG die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 270.000 € auf die Haftungsübernahmevereinbarung mit dem Beklagten vom 3.12.2020 gestützt hat, mit der auch sie selbst dessen Haftung für das Darlehen über 485.000 € begründet hat. Das OLG hat die Haftungsübernahmevereinbarung als Schuldbeitritt gewürdigt. Ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird. Die Schuld des Beitretenden bestimmt sich grundsätzlich nach Inhalt und Beschaffenheit der Hauptschuld im Zeitpunkt des Beitritts. Durch den Schuldbeitritt wird ein Gesamtschuldverhältnis begründet, das sich nach dem Beitritt zwar für jeden Gesamtschuldner unterschiedlich entwickeln kann; allerdings wirken die in den §§ 422 bis 424 BGB bezeichneten Tatsachen auch für und gegen den Beitretenden. Wegen dieser engen Verbundenheit der Beitrittsschuld in Entstehung und Entwicklung zu der Schuld, zu der der Beitritt erklärt wird, kann sie von ihr nicht losgelöst betrachtet werden. Zum Klagegrund des Schuldbeitritts gehört deshalb zwangsläufig auch die Schuld, der beigetreten worden ist.

Dem Tatbestand des Berufungsurteils einschließlich der Tatbestandselemente der Entscheidungsgründe lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin ihre Klageforderung auch auf das Darlehen über 270.000 € gestützt hätte. Dieses Darlehen wird nur im Rahmen des Verteidigungsvorbringens des Beklagten erwähnt, nach dem es sich bei dem Darlehen tatsächlich um eine aus seinem Vermögen stammende Kapitaleinlage in die A., die die Klägerin abredewidrig in ein kündbares Darlehen umgewandelt habe, handele. Die Klägerin räumt ein, dass sie die Klageerweiterung lediglich mit dem Darlehen über 485.000 € begründet hat. Soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdeerwiderung auf den Grundsatz gleichwertigen Parteivorbringens beruft, weil der Beklagte das Darlehen über 270.000 € selbst in den Rechtsstreit eingeführt habe, reicht dies für seine Verurteilung nicht aus. Diesen Vortrag hat sich die Klägerin nicht hilfsweise zu eigen gemacht und ihre Klageforderung auch nicht hierauf gestützt, wie es eine Klagestattgabe unter dem Gesichtspunkt gleichwertigen Parteivorbringens erfordert. Die Klägerin hat lediglich durch Nichtbestreiten (§ 138 Abs. 3 ZPO) die Existenz des Darlehensvertrags vom 15.11.2019 und die Ausreichung des Darlehens an die A. zugestanden. Hätte sie die Klage auch hierauf stützen wollen, hätte sie zudem das Verhältnis beider Klagegründe klarstellen müssen, da die Klage andernfalls als Alternativklage unzulässig geworden wäre.

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