19.10.2020

Zur Abrechnung auf Neuwagenbasis bei Beschädigung eines fabrikneuen Fahrzeugs

Ein Geschädigter, dessen neues Fahrzeug erheblich beschädigt worden ist, kann den Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft hat. Eine fiktive Abrechnung auf Neuwagenbasis ist unzulässig.

BGH v. 29.9.2020 - VI ZR 271/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 14.11.2017 in Anspruch, für den die Beklagten unstreitig dem Grunde nach voll einstandspflichtig sind.

Der Kilometerstand des von dem Kläger für einen Kaufpreis i.H.v. 37.000 € neu erworbenen, am 25.10.2017 erstmals zugelassenen und bei dem Unfall beschädigten Mazda CX-5 betrug am Unfalltag 571 Kilometer. Der Kläger holte ein Gutachten der DEKRA ein, das Reparaturkosten von 5.300 € brutto und eine Wertminderung von 1.000 € ausweist.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Zahlung von ca. 38.000 €, verfolgte also eine Abrechnung auf Neuwagenbasis (Kosten für einen Neuwagen plus Sachverständigenkosten).

Das LG gab der Klage weitestgehend statt. Auf die Berufung der Beklagten ändert das OLG das Urteil ab, sprach dem Kläger lediglich rd. 6.000 € zu (Reparaturkosten, Sachverständigenkosten sowie Ausgleich der Wertminderung i.H.v. 1.000 €) und wies die Klage im Übrigen ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Ein Geschädigter, dessen neues Fahrzeug erheblich beschädigt worden ist, kann den Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft hat. Eine fiktive Abrechnung auf Neuwagenbasis ist unzulässig. Für die Abrechnung auf Neuwagenbasis genügt auch nicht, dass der Kläger vorträgt, bisher eine Neuanschaffung nur aus finanziellen Gründen unterlassen zu haben (Bestätigung des Senatsurteils vom 9.6.2009 - VI ZR 110/08).

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Die Kritik daran erweist sich nicht als durchgreifend. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück, lässt den Anspruch auf Ersatz des Minderwertes unberücksichtigt. Gründe, die bei der Beschädigung eines Neuwagens für die Aufgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats und des Bereicherungsverbots sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

Von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger kein Neufahrzeug erworben hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist die mit dem erhöhten Schadensausgleich einhergehende Anhebung der "Opfergrenze" des Schädigers allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs gerechtfertigt.

Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse hat und dieses durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachweist. Nur in diesem Fall ist die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand (zuzügl. des merkantilen Minderwerts) übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren.

Entgegen der Ansicht der Revision folgt ein anderes Ergebnis nicht aus dem Einwand des Klägers, er habe einen Erwerb aus finanziellen Gründen unterlassen. Unbeschadet der Frage der Relevanz dieses Gesichtspunkts ist der diesbezügliche streitige Vortrag im erstinstanzlichen Schriftsatz substanzlos, nicht unter Beweis gestellt und bereits deshalb nicht erheblich.

Schließlich greift auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Geschädigte einen Neuwagenkauf nachholen könne und deshalb die Klage nur derzeit unbegründet sei, nicht durch. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger keinen Neuwagen gekauft hat und es damit an einer Anspruchsvoraussetzung für die Kostenerstattung fehle. Mit der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn der Kläger einen Neuwagen kauft, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Ein solcher neuer Sachverhalt wird von der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung nicht erfasst (vgl. BGH v. 9.6.2009 - VI ZR 110/08).
BGH online
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