02.03.2023

Zur Bestimmung des Geschäftswerts der notariellen Beurkundung eines Treuhänderwechsels

Das Verschlechterungsverbot in Notarkostensachen steht einer Erhöhung der Wertansätze nicht schlechthin entgegen.

BGH v. 26.1.2023 - III ZB 9/22
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Richtigkeit einer notariellen Kostenberechnung. Am 17.12.2009 beurkundete der Notar V. N. einen mehrfach gestuften Treuhandvertrag. Danach sollte u.a. die später unter D. L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (D. L. l) firmierende Gesellschaft für die Beteiligte zu 1) treuhänderisch die Geschäftsanteile an der S. GmbH erwerben und halten. In dem Vertrag waren die Einzelheiten der Verpflichtungen des Treuhänders geregelt. Die S. GmbH wiederum sollte treuhänderisch die Geschäftsanteile an einer weiteren Gesellschaft für 27.500 € erwerben und halten, welche ebenfalls treuhänderisch die Geschäftsanteile an der I. GmbH (Zielgesellschaft) für 20,5 Mio. € erwerben und halten sollte. Die Urkunde enthielt die Feststellung, dass es sich um ein einheitliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten handele.

Am 21.5.2015 beurkundete die zu 2) beteiligte Notarin einen dreiseitigen Vertrag zwischen der Beteiligten zu 1) als Treugeberin, der D. L. und der W. GmbH. Danach übernahm die letztgenannte Gesellschaft mit Wirkung zum 1.1.2015 an der Stelle von D. L. die Treuhänderschaft an der S. GmbH zu den bislang geltenden Bedingungen (§ 2 des Vertrags). D. L. übertrug den von ihr gehaltenen Geschäftsanteil auf die W. GmbH (§ 1 des Vertrags). Für die Treuhandtätigkeit vereinbarten diese und die Beteiligte zu 1 ein jährliches Honorar von 4.000 € (§ 3 des Vertrags). Für die Beurkundung, zu deren Zeitpunkt die S. GmbH ein Eigenkapital (§ 266 Abs. 3 HGB) i.H.v. rd. 40.000 € auswies, stellte die Notarin der Beteiligten zu 1) mit Kostenberechnung vom 5.3.2015 unter Zugrundelegung eines Geschäftswerts von 55.000 € (2 x 27.500 € "für die Beendigung des einen Treuhandvertrags und den Neubeginn des anderen Treuhandvertrags") insgesamt rd. 770 € in Rechnung, die die Beteiligte zu 1) bezahlte. Diese Berechnung änderte die Notarin durch eine Kostenberechnung vom 20.5.2015, in der sie einen Geschäftswert von 41 Mio. € (2 x 20,5 Mio. €) zugrunde legte, wobei sich die Gebühren danach unter Anrechnung des bereits gezahlten Betrags auf rd. 68.000 € beliefen.

Die Beteiligte zu 1) stellte beim LG den Antrag, die Kostenberechnung vom 20.5.2015 aufzuheben und die Kostenberechnung vom 5.3.2015 unter Berücksichtigung eines Geschäftswerts von rd. 40.000 € neu festzusetzen. Zuvor hatte bereits die Notarin beantragt, ihre Kostenberechnung vom 20.5.2015 zu bestätigen. Das LG setzte die Kostenberechnung auf rd. 53.000 € herab. Dabei nahm es (nur) einen Beurkundungsgegenstand gem. § 109 Abs. 1 GNotKG und dessen Wert mit 20,5 Mio. € (Wert der Zielgesellschaft) an. Das KG setzte die Kostenberechnung der Notarin auf rd. 680 € herab. Die Rechtsbeschwerde der Notarin hatte vor dem BGH ganz überwiegend keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das KG hat den Geschäftswert des am 21.1.2015 von der Notarin beurkundeten Vertrags rechtsfehlerfrei allein nach dem fünffachen Betrag der im Vertrag vereinbarten Jahresvergütung bestimmt und der Kosten(neu)berechnung - der Bindung an den Antrag der Beteiligten zu 1) Rechnung tragend - zutreffend einen Geschäftswert von rd. 40.000 € zugrunde gelegt. Die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Das Rechtsmittel hat lediglich insoweit Erfolg, als mit ihm ein etwas höherer Ansatz einer angefallenen Vollzugsgebühr erstrebt wird.

Nach § 86 Abs. 1 GNotKG ist Beurkundungsgegenstand das Rechtsverhältnis, auf das sich die Erklärungen beziehen. Mehrere Rechtsverhältnisse sind gem. Absatz 2 dieser Vorschrift verschiedene Beurkundungstatbestände, deren Werte nach § 35 Abs. 1 GNotKG zusammenzurechnen sind, soweit in § 109 GNotKG nichts anderes bestimmt ist. § 109 GNotKG enthält mithin eine Ausnahme zu dem Grundsatz des § 86 GNotKG, nach welchem jedes Rechtsverhältnis als eigenständiger Gegenstand zu behandeln und zu bewerten ist. Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 GNotKG, in dem von der Rechtsprechung unter der Geltung der Kostenordnung entwickelte Überlegungen, unter welchen Voraussetzungen es sich bei der Beurkundung mehrerer Erklärungen um denselben Gegenstand handelt, ausdrücklich normiert worden sind, liegt derselbe Beurkundungsgegenstand vor, wenn Rechtsverhältnisse zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und das andere Rechtsverhältnis unmittelbar dem Zweck des einen Rechtsverhältnisses dient. Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GNotKG ist ein solches Abhängigkeitsverhältnis nur gegeben, wenn das andere Rechtsverhältnis der Erfüllung, Sicherung oder sonstigen Durchführung des einen Rechtsverhältnisses dient. In diesen Fällen bestimmt sich nach Absatz 1 Satz 5 der Geschäftswert lediglich nach dem Wert des Rechtsverhältnisses (Hauptgeschäft), zu dessen Erfüllung, Sicherung oder sonstiger Durchführung die anderen Rechtsverhältnisse dienen.

Eine trennscharfe Abgrenzung ist abstrakt-generell allerdings mitunter schwierig. Erforderlich ist eine normative Betrachtung. Diese führt hier zu dem Ergebnis, dass die fremdnützige Geschäftsbesorgung in Gestalt der Fortführung der Treuhandtätigkeit ab dem 1.1.2015 durch die W. GmbH nach Ausscheiden der D. L. als Hauptgeschäft anzusehen und die Übertragung des Geschäftsanteils auf jene Gesellschaft (nur) als Durchführungsgeschäft i.S.d. § 109 Abs. 1 Satz 2 und 5 GNotKG einzuordnen ist. Den an der Beurkundung des Vertrages vom 21.1.2015 Beteiligten kam es entscheidend darauf an, dass die Treuhandtätigkeit über den 31.12.2014 hinaus fortgeführt wird, und zwar entsprechend den Regelungen, die bzgl. der D. L. in dem von Notar N. beurkundeten Vertrag vom 17.12.2009 vereinbart worden waren. Mit einer bloßen Abtretung und Übernahme des Geschäftsanteils durch einen neuen Rechtsträger wäre ihnen - insbesondere der Beteiligten zu 1) - nicht gedient gewesen. Daher bilden den Kern des notariellen Vertrages vom 21. Januar 2015 die rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Urkundsbeteiligten zur Fortführung der Treuhandtätigkeit durch die W. GmbH, wie sie vor allem in § 2 des Vertrages ihren Niederschlag gefunden haben, während die in § 1 des Vertrages geregelte Übertragung des Geschäftsanteils (nur) das Treugut betrifft, welches die W. GmbH erhalten muss, um die von ihr im Vertrag übernommene Treu-handtätigkeit erbringen zu können. Die Übertragung des Geschäftsanteils dient infolgedessen allein der Durchführung "des einen Rechtsverhältnisses" i.S.d. § 109 Abs. 1 Satz 2 GNotKG, nämlich der Fortführung der Treuhandtätigkeit durch die W. GmbH nach Ausscheiden der D. GmbH, und bleibt somit nach § 109 Abs. 1 Satz 5 GNotKG bei der Bestimmung des Geschäftswerts unberücksichtigt. Dieser bestimmt sich hier daher ausschließlich gem. § 99 Abs. 2 GNotKG nach dem fünffachen Betrag der in § 3 des Vertrages vereinbarten Jahresvergütung und beläuft sich somit auf 20.000 €.

Der Ansicht der Rechtsbeschwerde, dass sich nach dem Verständnis des KG der nach § 99 Abs. 2 GNotKG zu ermittelnde Geschäftswert auf 0 € beliefe und in der Folge auch die Beurkundungsgebühr 0 € betrüge, hätte sich die W. GmbH für ihre treuhänderische Tätigkeit keine Vergütung ausbedungen, kann nicht beigetreten werden. Sind (laufende) Bezüge nicht vereinbart worden, ist § 36 Abs. 1 GNotKG anwendbar, der normiert, dass der Geschäftswert dann nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Bestehen keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist gem. § 36 Abs. 3 GNotKG von einem Geschäftswert von 5.000 € auszugehen. Zu der Situation, dass die Beurkundung eines Treuhänderwechsels kostenfrei erfolgen müsste, kann es infolgedessen nicht kommen.

Der Rechtsbeschwerde ist jedoch insoweit zu folgen, als sie geltend macht, dass für die "Fertigung der Liste der Gesellschafter mit Bescheinigung" eine Vollzugsgebühr gem. KV GNotKG Nr. 22110 i.H.v. 0,5 x 145 € = 72,50 € netto (= 86,28 € brutto) und nicht lediglich i.H.v. 0,3 x 145 € = 43,50 € netto (= 51,77 € brutto) in Ansatz zu bringen ist, weil die Gebühr für das zugrunde liegende Beurkundungsverfahren 2,0 beträgt und deswegen die in KV GNotKG Nrn. 22111 und 22113 enthaltenen Bestimmungen nicht einschlägig sind. Die Kostenberechnung der Notarin vom 5.3.2015 in der Fassung vom 20.5.2015 ist daher nicht auf rd. 680 €, sondern auf rd. 715 € herabzusetzen. Dem steht das von der Beteiligten zu 1) angeführte Verschlechterungsverbot nicht entgegen, weil dieses eine Erhöhung der Wertansätze nicht schlechthin verbietet und der Betrag von 715,19 € weder die Summe der angefochtenen Kostenberechnung noch - sollte es darauf ankommen - die Gebührenhöhe, die das LG für zutreffend gehalten hat, übersteigt.

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