Zur Bezugsfertigkeit einer Wohneinheit
KG Berlin v. 24.6.2025 - 21 U 156/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht aus eigenem und abgetretenem Recht einen Verzugsschaden wegen verspäteter Übergabe einer Wohnung in Berlin geltend, die die Beklagte als Bauträgerin zu errichten hatte.
Der Kläger verlangt die entgangenen Mieteinnahmen für 67 Monate im Zeitraum Mai 2016 bis November 2021 i.H.v. mtl. rd. 3.100 € ersetzt, die er für zwei Wohnungen in M nicht vereinnahmen konnte, weil er und der Miterwerber des streitgegenständlichen, aber nicht fristgerecht übergebenen Objekts diese Wohnungen wegen der gescheiterten Wohnungsübergabe in Berlin weiter nutzen mussten und sie nicht wie geplant vermieten konnten. Daneben sind Stornierungskosten für Kaufverträge über Möbel i.H.v. rd. 1.600 € sowie Kosten für die Einlagerung von Wohnungseinrichtung i.H.v. 360 € Gegenstand der Klageforderung.
Das LG gab der Klage vollumfänglich statt und verurteilte die Beklagte, an den Kläger rd. 210.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem KG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB i.H.v. rd. 210.000 € zu. Die Beklagte befand sich vom 1.2.2016 bis zum 17.12.2021 mit der Erbringung ihrer Bauleistung und der Übergabe der Wohnung in Verzug.
Aufgrund wesentlicher Mängel war die Wohnung weder abnahmereif noch bezugsfertig. Eine Wohneinheit ist nur dann bezugsfertig i.S.v. § 3 Abs. 2 MaBV, wenn sie dauerhaft bezogen werden kann. Der Begriff der Bezugsfertigkeit ist gesetzlich nicht geregelt. Die Parteien haben hierzu in Bezug auf die zu errichtende Wohnung auch keine näheren Bestimmungen im Vertrag getroffen, so die Bezugsfertigkeit der Wohnung im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu bestimmen ist. Danach ist eine Wohnung dann als bezugsfertig anzusehen, wenn der Bau so weit fortgeschritten ist, dass den zukünftigen Bewohnern zugemutet werden kann, die Wohnung zu beziehen. Dies ist nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen und erfordert zumindest, dass die Wohnung in zumutbarer Weise zugänglich ist und die Bewohner ohne Gefahr für ihre Sicherheit und Gesundheit ihre normalen Wohnbedürfnisse (Wohnen, Essen, Schlafen) unbeengt und dauernd befriedigen können. Wesentliche Mängel, auch wenn sie optischer Natur sind und die Nutzung der Wohnung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht einschränken, stehen der Bezugsfertigkeit und der Fälligkeit der entsprechenden Kaufpreisrate entgegen.
Etwas anderes gilt nur, wenn die Beseitigung des Mangels gem. § 635 Abs. 3 BGB unverhältnismäßig ist und der Bauträger sich darauf beruft. Jedenfalls schuldeten die Erwerber die Bezugsfertigkeitsrate grundsätzlich nur Zug-um-Zug gegen Beseitigung der beiden wesentlichen Mängel an der Treppe. Nach §320 Abs.1 BGB kann ein Besteller wegen eines Mangels die Zahlung des noch offenen Werklohns verweigern. Mit der Mängelbeseitigung war die Beklagte durchgehend bis zu ihrer Rücktrittserklärung am 7.7.2016 in Verzug und hat sich auch nicht ausreichend auf unverhältnismäßige Kosten der Mängelbeseitigung gem. § 635 Abs. 3 BGB berufen. Sie schuldete prinzipiell eine Neuherstellung der Treppe in einer Ausführung in Sichtbeton und mit einer der Visualisierung im Prospekt entsprechenden Steigung.
Bis zu einer abschließenden Erklärung der Beklagten zum Umgang mit den beiden hinsichtlich der Treppe vorliegenden wesentlichen Mängel durften die Erwerber die sechste Kaufpreisrate in voller Höhe der angeforderten rd. 92.000 € einbehalten. Der Besteller ist gemäß § 641 Abs. 3 BGB berechtigt, das Doppelte der für die Beseitigung der Mängel erforderlichen Kosten einzubehalten. Die Höhe eines angemessenen Einbehalts kann der Besteller aber erst einschätzen, wenn sich der Unternehmer dazu äußert, wie er bestehende Mängel zu beseitigen beabsichtigt. Ohne eine finale Äußerung des Unternehmers hat der Erwerber nicht die notwendigen Anknüpfungspunkte für eine betragsmäßige Bewertung der Mängelbeseitigungskosten und kann deshalb den vollen offenen Zahlungsbetrag einbehalten.
Demzufolge sind die Erwerber hier nicht auf ein anteiliges Zurückbehaltungsrecht zu verweisen. Die Beklagte hat nicht im Einzelnen nachvollziehbar und substanziiert vorgetragen, welche Kosten für die vollständige mangelfreie Herstellung der Treppe in Stahlbeton einschließlich einer ggf. notwendigen statischen Ertüchtigung des Gebäudes entstehen. Somit waren die Erwerber im Zweifel zum vollen Einbehalt der sechsten Kaufpreisrate i.H.v. rd. 91.500 € berechtigt, bis die Beklagte eine Neuherstellung der Treppe aus Sichtbeton endgültig ablehnt. Eine solche Erklärung der Beklagten ist frühestens konkludent in ihrem Rücktritt mit Schreiben vom 7.7.2016 zu sehen.
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Der Kläger macht aus eigenem und abgetretenem Recht einen Verzugsschaden wegen verspäteter Übergabe einer Wohnung in Berlin geltend, die die Beklagte als Bauträgerin zu errichten hatte.
Der Kläger verlangt die entgangenen Mieteinnahmen für 67 Monate im Zeitraum Mai 2016 bis November 2021 i.H.v. mtl. rd. 3.100 € ersetzt, die er für zwei Wohnungen in M nicht vereinnahmen konnte, weil er und der Miterwerber des streitgegenständlichen, aber nicht fristgerecht übergebenen Objekts diese Wohnungen wegen der gescheiterten Wohnungsübergabe in Berlin weiter nutzen mussten und sie nicht wie geplant vermieten konnten. Daneben sind Stornierungskosten für Kaufverträge über Möbel i.H.v. rd. 1.600 € sowie Kosten für die Einlagerung von Wohnungseinrichtung i.H.v. 360 € Gegenstand der Klageforderung.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB i.H.v. rd. 210.000 € zu. Die Beklagte befand sich vom 1.2.2016 bis zum 17.12.2021 mit der Erbringung ihrer Bauleistung und der Übergabe der Wohnung in Verzug.
Aufgrund wesentlicher Mängel war die Wohnung weder abnahmereif noch bezugsfertig. Eine Wohneinheit ist nur dann bezugsfertig i.S.v. § 3 Abs. 2 MaBV, wenn sie dauerhaft bezogen werden kann. Der Begriff der Bezugsfertigkeit ist gesetzlich nicht geregelt. Die Parteien haben hierzu in Bezug auf die zu errichtende Wohnung auch keine näheren Bestimmungen im Vertrag getroffen, so die Bezugsfertigkeit der Wohnung im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu bestimmen ist. Danach ist eine Wohnung dann als bezugsfertig anzusehen, wenn der Bau so weit fortgeschritten ist, dass den zukünftigen Bewohnern zugemutet werden kann, die Wohnung zu beziehen. Dies ist nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen und erfordert zumindest, dass die Wohnung in zumutbarer Weise zugänglich ist und die Bewohner ohne Gefahr für ihre Sicherheit und Gesundheit ihre normalen Wohnbedürfnisse (Wohnen, Essen, Schlafen) unbeengt und dauernd befriedigen können. Wesentliche Mängel, auch wenn sie optischer Natur sind und die Nutzung der Wohnung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht einschränken, stehen der Bezugsfertigkeit und der Fälligkeit der entsprechenden Kaufpreisrate entgegen.
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Bis zu einer abschließenden Erklärung der Beklagten zum Umgang mit den beiden hinsichtlich der Treppe vorliegenden wesentlichen Mängel durften die Erwerber die sechste Kaufpreisrate in voller Höhe der angeforderten rd. 92.000 € einbehalten. Der Besteller ist gemäß § 641 Abs. 3 BGB berechtigt, das Doppelte der für die Beseitigung der Mängel erforderlichen Kosten einzubehalten. Die Höhe eines angemessenen Einbehalts kann der Besteller aber erst einschätzen, wenn sich der Unternehmer dazu äußert, wie er bestehende Mängel zu beseitigen beabsichtigt. Ohne eine finale Äußerung des Unternehmers hat der Erwerber nicht die notwendigen Anknüpfungspunkte für eine betragsmäßige Bewertung der Mängelbeseitigungskosten und kann deshalb den vollen offenen Zahlungsbetrag einbehalten.
Demzufolge sind die Erwerber hier nicht auf ein anteiliges Zurückbehaltungsrecht zu verweisen. Die Beklagte hat nicht im Einzelnen nachvollziehbar und substanziiert vorgetragen, welche Kosten für die vollständige mangelfreie Herstellung der Treppe in Stahlbeton einschließlich einer ggf. notwendigen statischen Ertüchtigung des Gebäudes entstehen. Somit waren die Erwerber im Zweifel zum vollen Einbehalt der sechsten Kaufpreisrate i.H.v. rd. 91.500 € berechtigt, bis die Beklagte eine Neuherstellung der Treppe aus Sichtbeton endgültig ablehnt. Eine solche Erklärung der Beklagten ist frühestens konkludent in ihrem Rücktritt mit Schreiben vom 7.7.2016 zu sehen.
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