07.07.2025

Zur Messung der zulässigen Wuchshöhe von Bäumen und Sträuchern nah dem Nachbargrundstück

Der für Hecken aufgestellte Grundsatz, dass bei einer Anpflanzung auf einem Grundstück, das höher liegt als das Nachbargrundstück, die nach den Landesnachbargesetzen zulässige Wuchshöhe von der Stelle aus zu messen ist, an der die Anpflanzungen aus dem Boden austreten, gilt auch für Bäume, Sträucher und andere Gehölze. Auch insoweit ist, wenn im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im Bereich der Grundstücksgrenze erfolgt, davon abweichend das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich.

BGH v. 27.6.2025 - V ZR 180/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Die Beklagten haben ihr Grundstück im hinteren, der Straße abgewandten Bereich bei der Errichtung ihres Hauses im Jahr 1994 um einen Meter aufgefüllt. Auf dem Grundstück befinden sich entlang der Grenze zum Grundstück der Kläger - soweit noch von Interesse - ein portugiesischer Lorbeerbaum, ein Fliederbaum, eine Kreppmyrte und ein Rosenstrauch. Die Kläger verlangen von den Beklagten in der Hauptsache, diese Gewächse jährlich im Zeitraum zwischen Oktober eines Jahres und Februar des Folgejahres auf eine Höhe von 1,80 Metern zu kürzen, gemessen von dem Bodenniveau des klägerischen Grundstücks.

Das AG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagten zum jährlichen Rückschnitt des Lorbeerbaums, des Fliederbaums und der Kreppmyrte auf 1,80 Meter, jeweils gemessen vom Austritt der Pflanze aus dem Boden; hinsichtlich des Rosenstrauchs wies es die Klage ab. Das LG gab der Klage insoweit statt, als dass der Lorbeerbaum auf vier Meter sowie der Fliederbaum, die Kreppmyrte und der Rosenstrauch auf 1,80 Meter zu kürzen sind, jeweils gemessen vom Bodenniveau des Grundstücks der Kläger. 

Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des LG auf, wies die Berufung der Kläger gegen das Urteil des AG zurück und änderte das Urteil insoweit ab, als dass die Beklagten verurteilt werden, den Quittenbaum neben der Garage des Klägers auf eine Höhe von vier Metern zu kürzen, die Kreppmyrte/Flieder rechts neben dem portugiesischen Lorbeer auf eine Höhe von 1,80 Metern zu kürzen sowie den Fliederbaum rechts neben der Kreppmyrte/Flieder auf eine Höhe von 1,80 Metern (jeweils gemessen ab Austritt aus dem Boden und im Zeitraum zwischen dem 1.10. eines Jahres bis zum 28./29.2. des Folgejahres) zu kürzen.

Die Gründe:
Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das LG an, dass ein Anspruch auf Rückschnitt eines Gehölzes bestehen kann, wenn gesetzliche Vorgaben über Grenzabstände nicht eingehalten sind. Dieser Anspruch folgt vorliegend unmittelbar aus § 16 Abs. 3 NRG BW. Danach ist der Besitzer eines Gehölzes, das die nach Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4 Buchst. c der Norm zulässige Höhe überschritten hat, zur Verkürzung verpflichtet, jedoch nicht in der Zeit vom 1.März bis 30. September. Nach § 16 Abs. 1 NRG BW sind bei der Anpflanzung von Bäumen, Sträuchern und anderen Gehölzen bestimmte Grenzabstände einzuhalten. So dürfen näher bezeichnete Gehölze bei einem Grenzabstand von bis zu zwei Metern die Höhe von 1,80 Metern nicht überschreiten, andere Gehölze dürfen bei einem Abstand von bis zu drei Metern eine Höhe von vier Metern nicht überschreiten. Daraus folgt, dass der Nachbar einen (nach § 26 Abs. 3 NRG BW nicht der Verjährung unterworfenen) Anspruch auf Kürzung derjenigen Gehölze hat, die die - sich aus ihrem Abstand zur Grundstücksgrenze ergebende - zulässige Höhe überschreiten.

Die Zuordnung der einzelnen hier in Rede stehenden Pflanzen zu den in § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 Buchst. c NRG BW aufgeführten Gehölzgruppen durch das LG lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch durch die Revision nicht beanstandet. Damit ergeben sich zulässige Höhen für den Lorbeerbaum von vier Metern und für den Fliederbaum, die Kreppmyrte und den Rosenstrauch von 1,80 Metern. 3. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des LG, die zulässige Höhe der Pflanzen sei von dem Bodenniveau des klägerischen Grundstücks aus zu messen, mit der Folge, dass zu der tatsächlichen Wuchshöhe der Pflanzen ein Meter hinzuzuaddieren ist, um den das Grundstück der Kläger tiefer liegt als das Grundstück der Beklagten.

Der Senat hat nach Erlass der hier angefochtenen Entscheidung in einem die Kürzung einer Hecke betreffenden Verfahren entschieden, dass, wenn eine Hecke auf einem Grundstück gepflanzt wird, das höher liegt als das Nachbargrundstück, die nach den Landesnachbargesetzen zulässige Heckenhöhe grundsätzlich von der Stelle aus zu messen ist, an der die Anpflanzungen aus dem Boden austreten. Erfolgt hingegen im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im Bereich der Grundstücksgrenze, ist davon abweichend das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich.

Für die hier in Rede stehenden Gehölze gilt nichts anderes. Der für Hecken aufgestellte Grundsatz, dass bei einer Anpflanzung auf einem Grundstück, das höher liegt als das Nachbargrundstück, die nach den Landesnachbargesetzen zulässige Wuchshöhe von der Stelle aus zu messen ist, an der die Anpflanzungen aus dem Boden austreten, gilt auch für Bäume, Sträucher und andere Gehölze. Auch insoweit ist, wenn im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im Bereich der Grundstücksgrenze erfolgt, davon abweichend das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich.

Somit ist die zulässige Höhe der hier in Rede stehenden Pflanzen von der Stelle aus zu messen, an der sie aus dem Boden ausgetreten sind. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Bodenniveaus des Grundstücks der Beklagten im Bereich der Grundstücksgrenze erfolgt ist. Auch die Revisionserwiderung zeigt hierzu keinen von den Klägern in den unteren Instanzen gehaltenen Vortrag auf. Es spricht auch sonst nichts für die Annahme, dass die Beklagten ihr Grundstück im Grenzbereich aufgeschüttet haben, um hiermit die nachbarrechtlichen Vorgaben über die zulässige Wuchshöhe von Anpflanzungen zu umgehen. Vielmehr ist die Aufschüttung bereits vor rund 30 Jahren bei der Bebauung des Grundstücks der Beklagten erfolgt.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Rückschnitts- und Unterlassungsanspruch bzgl. einer hohen Bambushecke
BGH vom 28.03.2025 - V ZR 185/23
MDR 2025, 723
MDR0078950

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