16.10.2014

Zur privilegierten Pfändung der Unterhaltsvorschusskasse

Die Unterhaltsvorschusskasse kann wegen der gem. § 7 Abs. 1 UVG auf sie übergegangenen Unterhaltsforderung Ansprüche des Schuldners gegen Dritte im Rahmen des § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO als privilegierter Gläubiger ohne die sich aus § 850c ZPO ergebenden Einschränkungen zunächst pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, wenn nicht feststeht, ob der Unterhaltsberechtigte von dem Schuldner Unterhalt nach § 7 Abs. 3 S. 2 UVG verlangt. Ein Verlangen ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unterhaltsberechtigte den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung auf Befriedigung seiner Unterhaltsforderung in Anspruch nimmt und insoweit einen Vollstreckungsantrag stellt.

BGH 17.9.2014, VII ZB 21/13
Der Sachverhalt:
Gläubiger in dem vorliegenden Verfahren ist die Unterhaltsvorschusskasse. Diese hatte gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen von ihr zwischen März und September 2009 für die minderjährigen Kinder des Schuldners nach dem UVG geleisteter Unterhaltsbeträge i.H.v. 1.638 € betrieben. Der Gläubiger beantragte den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem Ansprüche des Schuldners aus Kontoverbindungen jeder Art mit der Drittschuldnerin gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen werden sollten, und trug vor, dass der Schuldner nach seiner Kenntnis keinen Unterhalt an die beiden Kinder leiste.

Das AG setzte in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss den dem Schuldner pfändungsfrei zu belassenden Betrag unter Berücksichtigung seines notwendigen Lebensunterhalts i.H.v. 900 € sowie der gegenüber den beiden minderjährigen Kindern bestehenden Unterhaltsverpflichtung i.H.v. je 180 € auf insgesamt 1.260 € fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers, mit der dieser beantragt hatte, den pfändungsfreien Betrag auf 900 € herabzusetzen, blieb erfolglos. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hat der BGH den Beschluss des LG aufgehoben und den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss abgeändert.

Gründe:
Der dem Schuldner pfändungsfrei zu belassende Betrag ist auf 900 € festzusetzen.

Unzutreffend war die Annahme des Beschwerdegerichtes, ein Verlangen des unmittelbar unterhaltsberechtigten minderjährigen Unterhaltsgläubigers sei grundsätzlich zu vermuten. Dem lag wohl ein fehlerhaftes Verständnis des Begriffs des Unterhaltsverlangens i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 2 UVG zugrunde. § 7 Abs. 3 S. 2 UVG ist eine vollstreckungsrechtliche Vorschrift, die Vollstreckungskollisionen zugunsten des unterhaltsberechtigten Kindes lösen soll, das für einen früheren Zeitraum eine Unterhaltsvorschussleistung erhalten hat. Die Unterhaltsvorschusskasse kann wegen der gem. § 7 Abs. 1 UVG auf sie übergegangenen Unterhaltsforderung Ansprüche des Schuldners gegen Dritte im Rahmen des § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO als privilegierter Gläubiger ohne die sich aus § 850c ZPO ergebenden Einschränkungen zunächst pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, wenn nicht feststeht, ob der Unterhaltsberechtigte von dem Schuldner Unterhalt nach § 7 Abs. 3 S. 2 UVG verlangt.

Ein Verlangen von Unterhalt i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 2 UVG ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unterhaltsberechtigte den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung auf Befriedigung seiner Unterhaltsforderung in Anspruch nimmt und insoweit einen Vollstreckungsantrag stellt. Der unmittelbar Unterhaltsberechtigte verlangt Unterhalt i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 2 UVG außerdem dann, wenn er Unterhaltsansprüche, die durch die Vollstreckung der auf die Unterhaltskasse übergegangenen Forderungen nicht beeinträchtigt werden dürfen, gegenüber dem Schuldner gerichtlich oder außergerichtlich geltend macht und der Schuldner daraufhin Unterhaltsleistungen an ihn erbringt.

Die privilegierte Pfändung der Unterhaltsvorschusskasse nach § 850d ZPO ist nicht davon abhängig, dass diese im Vollstreckungsverfahren das Fehlen der nach § 7 Abs. 3 S. 2 UVG vorrangig zu berücksichtigenden Unterhaltsansprüche darlegt und gegebenenfalls nachweist. Der am Vollstreckungsverfahren nicht beteiligte vorrangige Unterhaltsgläubiger kann den nach § 7 Abs. 3 S. 2 UVG bestehenden Vorrang seines Unterhaltsanspruchs im Vollstreckungsverfahren mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO geltend machen. Nach Abschluss des Vollstreckungsverfahrens kann ihm gegen die pfändende Unterhaltskasse ein Bereicherungsanspruch auf Auskehrung des Erlöses in Höhe der ihm zustehenden Unterhaltsforderung zustehen.

Infolgedessen konnte die Entscheidung des Beschwerdegerichtes keinen Bestand haben. Dieses hat nicht festgestellt, dass die unmittelbar unterhaltsberechtigten Kinder des Schuldners für einen nach Leistung des Unterhaltsvorschusses liegenden Zeitraum die Zahlung von Unterhalt gegenüber dem Schuldner i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 2 UVG verlangt hatten. Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden, § 577 Abs. 5 S. 1 ZPO. Der dem Schuldner gem. § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO pfändungsfrei zu belassende Betrag war ohne Berücksichtigung der gegenüber den minderjährigen Kindern bestehenden laufenden Unterhaltsverpflichtung auf einen Betrag von 900 € herabzusetzen, der dem notwendigen Unterhalt des Schuldners entspricht.

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