09.08.2022

Zuweisung der ehelichen Wohnung

Begehrt der Alleineigentümer, der während der Trennungszeit die Ehewohnung dem anderen Ehegatten überlassen hat, die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung nach § 1568a Abs. 1 BGB an sich, gilt der Maßstab von § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB entsprechend, so dass ihm der Anspruch nur dann zu versagen ist, wenn sich der andere Ehegatte auf eine unzumutbare Härte berufen kann. Eine solche liegt nicht schon dann vor, wenn in Bezug auf die noch in der Ehewohnung mit der Mutter verbliebenen Kinder die abstrakte Befürchtung einer Destabilisierung der Kinder durch einen Umzug besteht.

OLG Frankfurt v. 18.7.2022 - 6 UF 87/22
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind seit August 2021 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die heute noch minderjährig sind. Die Familie lebte in der im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden 3-Zimmer-Wohnung. Zur Finanzierung der Eigentumswohnung zahlt der Antragsgegner auf ein Darlehen monatlich 944 €. Zudem zahlt er ein monatliches Hausgeld von 354 €. Seit August 2019 lebten die Beteiligten zunächst innerhalb der Ehewohnung getrennt.

Auf Antrag der Antragstellerin wurde die Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens gem. § 1361 b BGB durch Beschluss des AG vom 24.7.2020 der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen, weil das zum Schutz der Kinder vor einem im Wesentlichen durch den Beschwerdegegner verursachten Loyalitätskonflikt in einem schon lange anhaltenden Trennungsstreit geboten erschien. Dem Antragsgegner wurde eine Räumungsfrist bis 31.8.2020 gewährt.

Die Antragstellerin wurde letztlich dazu verpflichtet, an den Antragsgegner monatlich eine Nutzungsentschädigung von 774 € zu zahlen (240,00 € Nebenkosten + 820,00 € Kaltmiete - 286,00 € Abschlag für die Zurverfügungstellung der Wohnung für die Kinder). Sie bezieht Leistungen nach dem SGB II und dem UVG und übt eine geringfügige Beschäftigung aus. Sie hat bisher keine Nutzungsentschädigung an den Antragsgegner gezahlt. Der Antragsgegner hat - trotz gerichtlicher Anordnung - keinen Trennungs- oder Kindesunterhalt gezahlt.

Die Antragstellerin hat während des erstinstanzlichen Verfahrens keine Anstrengungen unternommen, für sich und die Kinder eine neue Wohnung zu finden. Sie lehnte es sogar ab, einen Antrag auf eine geförderte Wohnung zu stellen. Das Jugendamt hat keine konkrete Kindeswohlgefährdung durch einen Umzug festgestellt, aber bei einem kurzfristigen Umzug erhebliche Nachteile für die Entwicklung der Kinder gesehen und empfohlen, der Antragstellerin eine angemessene Frist (1,5 Jahre mit Verlängerungsoption) zu setzen, um mit der Unterstützung der sozialpädagogischen Familienhilfe eine neue Wohnung zu finden.

Die Antragstellerin hatte beantragt, ihr die Wohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen und hilfsweise die Wohnungszuweisung bis 31.7.2023 zu befristen. Das AG hat der Antragstellerin die Ehewohnung befristet bis zum 31.8.2022 zur alleinigen Nutzung zugewiesen und rückwirkend ab dem 25.8.2021 ein Mietverhältnis zwischen den Beteiligten begründet mit einer laufenden monatlichen Kaltmiete von 558 € und Nebenkosten von 240 € ab Februar 2022. Zudem hat es rückständigen Mietzins ab August 2021 festgesetzt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und ihm die Wohnung zugewiesen.

Die Gründe:
Das AG hat der Antragstellerin die Ehewohnung zu Unrecht zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Begehrt der Alleineigentümer, der während der Trennungszeit die Ehewohnung dem anderen Ehegatten überlassen hat, die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung nach § 1568a Abs. 1 BGB an sich, gilt der Maßstab von § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB entsprechend, so dass ihm der Anspruch nur dann zu versagen ist, wenn sich der andere Ehegatte auf eine unzumutbare Härte berufen kann.

Die Voraussetzungen für die Annahme einer unbilligen Härte i.S.v. § 1568 a Abs. 2 BGB lagen bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung nicht vor. Nach Rechtskraft der Scheidung kam und kommt dem Eigentum des Antragsgegners an der Ehewohnung ein erhebliches Gewicht zu. Aus dem Vortrag der Antragstellerin ergab sich nicht, dass die Zuweisung der Ehewohnung an sie dringend erforderlich sein könnte, um eine unerträgliche Belastung abzuwenden oder die Nichtzuweisung der Ehewohnung zu ungewöhnlich schweren Beeinträchtigungen führen könnte. Die Antragstellerin konnte sich insbesondere nicht darauf berufen, dass es für sie und die Kinder unmöglich sei, eine Ersatzwohnung zu finden. Denn sie hat trotz Kenntnis, dass ihr die Wohnung nur bis zur Rechtskraft der Scheidung zugewiesen war und dem Antragsgegner das Alleineigentum an der Wohnung zusteht, keinerlei Anstrengungen unternommen, Ersatzwohnraum zu beschaffen.

Für die Annahme einer außergewöhnlich schweren Beeinträchtigung reichte es auch nicht aus, dass der Antragsgegner bisher keinen Unterhalt an die Antragstellerin und die Kinder zahlt. Die Antragstellerin bezieht Unterhaltsvorschussleistungen und Leistungen nach dem SGB II, so dass der Antragsgegner Erstattungsansprüchen der Sozialleistungsträger aufgrund übergegangener Ansprüche ausgesetzt ist. Zudem umfasst der Bedarf gem. § 22 SGB II auch die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind, so dass eine Wohnungssuche auch nicht an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin scheitert.

Schließlich konnten auch die Belange der minderjährigen Kinder die Annahme einer unbilligen Härte nicht rechtfertigen. Denn eine Kindeswohlgefährdung hatte das Jugendamt nicht festgestellt. Die geäußerte abstrakte Befürchtung einer Destabilisierung der Kinder durch einen Umzug mit der Folge des etwaigen Verlusts der sozialen Bindungen in den Bildungseinrichtungen, im Freundeskreis und bei Vereinen erscheint nicht als außergewöhnlich schwere Beeinträchtigung. Die Antragstellerin und die Kinder wohnen seit zwei Jahren in der im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Wohnung und hatten ausreichend Zeit, die Folgen der Trennung zu verarbeiten.

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