25.07.2019

Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen eines Einzelgewerbetreibenden

Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehört zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie entweder dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Eine Förderung in der ersten Alternative erfordert, dass der Steuerpflichtige seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zum Wohle seines Einzelgewerbebetriebs einsetzt. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Einzelgewerbebetrieb eine intensive und nachhaltige Geschäftsbeziehung besteht, die sich für den Einzelgewerbebetrieb als erheblich vorteilhaft erweist und dieser Vorteil seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen einer derartigen Geschäftsbeziehung wird die Kapitalbeteiligung erst recht zum Zwecke der Förderung des Einzelgewerbebetriebs eingesetzt, wenn diesem hierdurch fremdunübliche Vorteile verschafft werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 12.6.2019 - X R 38/17

EStG § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1
BewG § 11 Abs. 2


Notwendiges Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebs sind diejenigen Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dergestalt unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind. Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft stellt dann notwendiges Betriebsvermögen dar, wenn sie entweder dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Notwendiges Betriebsvermögen kommt daher nicht nur in Betracht, wenn über die Kapitalgesellschaft der Produktabsatz des Steuerpflichtigen gewährleistet werden soll. Durch das Wort "oder" ergibt sich notwendiges Betriebsvermögen ebenso, wenn die Beteiligung dazu bestimmt ist, die branchengleiche gewerbliche Betätigung des Steuerpflichtigen "entscheidend zu fördern".

Der BFH hat nun entschieden, dass es bereits die Abgrenzung zum gewillkürten Betriebsvermögen gebietet, dass sich die von der Kapitalgesellschaft ausgehende Förderung des Einzelgewerbetreibenden im Falle notwendigen Betriebsvermögens nicht in einer auch zwischen fremden Dritten üblichen Geschäftsbeziehung erschöpft, sondern deutlich intensiver ist. Eine "entscheidende Förderung" setzt daher voraus, dass der Steuerpflichtige seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zum Wohle seines Einzelgewerbebetriebs einsetzt. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Einzelgewerbetreibenden eine intensive und nachhaltige Geschäftsbeziehung besteht, die sich für den Einzelgewerbetreibenden als erheblich vorteilhaft erweist und dieser Vorteil seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen einer derartigen Geschäftsbeziehung wird die Kapitalbeteiligung erst Recht zum Zwecke der Förderung des Einzelgewerbetreibenden eingesetzt, wenn diesem hierdurch fremdunübliche Vorteile verschafft werden.

Die Zuordnung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Be­triebsvermögen und die hierbei zu treffende Feststellung, ob der Steuerpflichtige die Beteiligung in den Dienst seines Einzelgewerbebetriebs stellt, setzt dabei weder eine rechtliche noch faktische Beherrschung der Kapitalgesellschaft voraus. Auch ist die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen nicht davon abhängig zu machen, dass die Kapitalgesellschaft keinen über die Geschäftsbeziehung zum Einzelgewerbetreibenden hinausgehenden erheblichen Ge­schäftsbetrieb unterhält.

Dagegen ist bei einer Personengesellschaft, die an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist, mit der die Personengesellschaft zu ihrem Vorteil eng wirtschaftlich verflochten ist, ein anderer Maßstab für eine Zuordnung zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen  II anzulegen. Denn die Stärkung der Mitunternehmerstellung ist u.a. abhängig von den gesellschaftsrechtlichen Strukturen der Mitunternehmerschaft und der Kapitalgesellschaft, deren Anteil der Mitunternehmer hält.

Im Streitfall hatte das FG alle erforderlichen Tatsachen festgestellt, die dem BFH ausnahmsweise selbst die Würdigung erlaubten, dass jedenfalls in der Gründungs- und Anlaufphase des Einzelgewerbebetriebs die Beteiligung des Steuerpflichtigen an der GmbH unter Berücksichtigung oben genannter Rechtsgrundsätze dem notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen war.

Gehörte die Beteiligung des Steuerpflichtigen an der GmbH demnach in der Gründungs- und Anlaufphase des Betriebs zum Betriebsvermögen, blieb sie es bis zum Zeitpunkt der schenkungsbedingten Entnahme. Die Entnahme der Beteiligung aus dem Betriebsvermögen war nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG mit dem Teilwert zu bewerten. Die von den Steuerpflichtigen im Wege teleologischer Reduktion erwogene Nichtanwendbarkeit der Vorschrift in den Fällen, in denen die Beteiligung nach der Überführung ins Privatvermögen nach § 17 EStG steuerverhaftet bleibt, verwarf der BFH schon wegen sich ergebender ertragsteuerlicher Systeminkonsequenzen.

Im Streitfall konnte der BFH nicht abschließend über die Höhe des Teilwerts der entnommenen Beteiligung an der GmbH und demzufolge auch nicht über die Höhe des im Streitjahr bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb bzw. dem Gewerbeertrag des Steuerpflichtigen zu berücksichtigenden Entnahmegewinns entscheiden, da der vom FG zugrunde gelegte Unterneh­menswert der GmbH auf den 31.12.2010 nicht durch hinreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt war. Insoweit wurde der Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

BFH, Urteil vom 12.6.2019, X R 38/17, veröffentlicht am 25.7.2019.
Verlag Dr. Otto Schmidt