Keine Aufklärungspflicht über die Vornutzung des Mietobjektes als Bordell
OLG Düsseldorf 7.10.2016, I-7 U 143/15Die Beklagte hatte sich im August 2014 auf eine Internetanzeige des klagenden Maklers wegen eines Loft-Ateliers gemeldet. In der Folgezeit hat sie das Mietobjekt jedoch nie - wie ursprünglich beabsichtigt - zum Betrieb eines Friseursalons in Benutzung genommen. Vielmehr erklärte sie gegenüber dem Kläger die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung. Dies begründete die Beklagte damit, dass ihr die Tatsache, dass die streitgegenständliche Immobilie über Jahre hinweg als Bordell genutzt worden sei, hätte offenbart werden müssen.
Der Kläger behauptete, dass dem für die Beklagte handelnden Herrn V. ein entsprechendes Exposé übergeben worden und bei Vertragsunterzeichnung über die Berechnung der Provision gesprochen worden sei. Außerdem sei ihm bei der ersten Besichtigung mitgeteilt worden, dass in der streitgegenständlichen Immobilie bis vor einem Jahr ein Rotlichtgeschäft betrieben worden sei. Der Kläger nahm die Beklagte deshalb auf Zahlung von Maklercourtage für die Vermittlung des auf die Dauer von 5 Jahren geschlossenen Mietvertrages in Anspruch.
Das LG hat die Beklagte dazu verurteilt, an den Kläger 5.902 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vor dem OLG blieb in der Sache erfolglos.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 654 BGB. Die Anfechtung des Mietvertrages führte nicht dazu, dass dieser gem. § 142 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Es konnte gerade nicht festgestellt werden, dass die Mieterin zur Abgabe ihrer auf den Abschluss des Mietvertrages gerichteten Willenserklärung gem. § 123 Abs. 1 BGB durch arglistige Täuschung bestimmt worden war. Eine Täuschung kam vorliegend nur durch Verschweigen in Betracht. Hierzu war es erforderlich, dass hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht bestanden hätte, was jedoch nicht der Fall war.
Grundsätzlich bestehen vor Abschluss eines Mietvertrages, auch bei der Geschäftsraummiete, keine Aufklärungspflichten. Beiden Vertragspartnern obliegt es selbst, ihre Interessen wahrzunehmen, so dass sie sich eigenständig die notwendigen Informationen für die Entscheidung beschaffen müssen, ob die Eingehung des Vertrages für sie vorteilhaft ist oder nicht. Nur in Ausnahmefällen besteht nach BGH-Rechtsprechung (BGH v. 25.3.2009, Az.: XII ZR 117/07; BGH v. 28.6.2006, Az.: XII ZR 50/04) eine vorvertragliche Aufklärungspflicht hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse in Bezug auf die Mietsache, die von besonderer Bedeutung für den Entschluss der anderen Vertragspartei zur Eingehung des Vertrags sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden darf.
Eine allgemeine Aufklärungspflicht erfordert jedoch in der Regel ein Wissensgefälle, d.h., dass die aufklärungsbedürftige Partei selbst keine aussichtsreichen Möglichkeiten hat oder aufgrund mangelnder Anhaltspunkte oder Unerfahrenheit keinen Anlass sehen muss, sich über die konkreten Umstände durch Nachfrage Klarheit zu verschaffen. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, ob den Vermieter - vom Fall der ausdrücklichen Fragestellung des Mieters abgesehen - hinsichtlich der Beschaffenheit und Lage der Mietsache sowie ihrer Einbindung in die Umwelt Aufklärungspflichten über bestimmte Eigenschaften treffen, soweit diese die Verwertbarkeit bzw. Nutzbarkeit der Mietsache beeinträchtigen können. Derartige Aufklärungspflichten bestanden hier aber nicht.
Der bordellartige Betrieb in dem Objekt war seit mindestens einem halben Jahr vor Mietbeginn eingestellt gewesen. Es ging somit ausschließlich um die Nachwirkungen, die ein früher betriebenes Bordell auf den Frisörbetrieb, den die Beklagte in anderen Räumen des angemieteten Objekts betreiben wollte, hätte haben können, und wegen denen eine eventuelle Aufklärungspflicht anzunehmen wäre. Insofern stellte die Beklagte allein auf den Ruf des Hauses ab und nicht etwa auf Beeinträchtigungen durch dort immer noch vorstellig werdende Interessenten an dem Club. In Bezug auf das "Ansehen" des Mietobjektes lag dieses aber eher in einer unterdurchschnittlichen Lage, was sich auch in der Miethöhe widergespiegelt hatte. Insofern konnte die Beklagte nicht erwarten, dass das Mietobjekt ein besonderes Ansehen ausstrahlen würde.
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