23.05.2019

Keine Erstattung der Branntweinsteuer wegen sachlicher Unbilligkeit

Keine Erstattung einer Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen, die nach § 153 Abs. 3 BranntwMonG deshalb entstanden ist, weil der Inhaber einer allgemeinen Verwendungserlaubnis vergällten Branntwein an andere Erlaubnisinhaber abgegeben hat.

Kurzbesprechung
BFH v. 27.2. 2019 - VII R 34/17

AO § 227
BranntwMonG § 152, § 153
BrStV § 44, § 49
AEUV Art. 267
RL 92/83/EWG Art. 27


Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen haben. Im Streitfall ging es allein um sachliche Unbilligkeit.

Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte - im Sinne der begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Dies wiederum kann seinen Grund entweder in Gerechtigkeitsgesichtspunkten oder in einem Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegenden Zweck haben.

Allerdings dürfen Billigkeitsmaßnahmen nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem - sich lediglich in einem Einzelfall zeigenden - ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestands abhelfen.

Bei der Billigkeitsprüfung müssen außerdem solche Umstände außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt in der Regel keine Billigkeitsmaßnahme, insbesondere kann § 227 AO nicht als Rechtsgrundlage für eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift dienen.

Im Streitfall schied die begehrte Erstattung der Branntweinsteuer nach § 227 AO schon deshalb aus, weil diese Vorschrift atypische Einzelfälle erfassen soll, nicht aber Fälle der Steuerentstehung, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Im Streitfall handelte es sich nicht lediglich um einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften. Denn es war der Steuerpflichtigen im Rahmen der allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BrStV lediglich erlaubt, den vergällten Branntwein auf ihrem Betriebsgelände zu lagern und ihn zu den in § 152 Abs. 1 Nr. 4 BranntwMonG genannten Zwecken steuerfrei zu verwenden. Nicht von der Erlaubnis erfasst war hingegen die Abgabe vergällter Erzeugnisse an andere Verwender.

Im Gegensatz zum Energiesteuerrecht sieht das Branntweinsteuerrecht Verteilerverkehre und die damit verbundene Zulassung von Verteilern nicht vor; im Rahmen der Anpassung der branntweinsteuerrechtlichen Regelungen an das harmonisierte Verbrauchsteuerrecht wurden die in § 99a BranntwMonG vorgesehenen Verteilerlager mit Wirkung zum 1.1. 1993 abgeschafft. Eine Abgabe von Branntwein und branntweinhaltigen Erzeugnissen zur steuerfreien Verwendung ist demnach nur durch Steuerlager möglich.

Soweit sich die Steuerpflichtige auf eine vermeintliche Gesetzeslücke beruft, weil die Erfassung der Abgabe an einen ebenfalls über eine Verwendungserlaubnis verfügenden Empfänger durch § 153 Abs. 3 BranntwMonG begünstigende Rahmenregelungen erfordere, bezieht sich dieses Vorbringen nicht auf einen - sich lediglich in Einzelfällen zeigenden - ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes. Wenn eine solche Gesetzeslücke vorliegen sollte, ist es nicht Aufgabe des Billigkeitsverfahrens, einen Ausgleich zu schaffen. Denn mit Billigkeitsmaßnahmen darf die Geltung des Gesetzes nicht unterlaufen werden. Die Frage nach der materiell-rechtlichen Richtigkeit der Steuerfestsetzung ist grundsätzlich nicht im Billigkeitsverfahren zu klären.

Im Übrigen war der nationale Gesetzgeber nach Art. 27 Abs. 1 RL 92/83/EWG berechtigt, Maßnahmen zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung von Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch zu treffen. Eine Pflicht zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an den EuGH bestand nach Auffassung des BFH ebenfalls nicht.

BFH, Urteil vom 27.2.2019, VII R 34/17, veröffentlicht am 22.5.2019.
 
Verlag Dr. Otto Schmidt