15.03.2011

Luftfahrtunternehmen haften gegenüber Reisenden auch für verschwundene Sachen im Gepäck von Mitreisenden

Da der Gepäckschein als Legitimationspapier nach § 808 BGB nicht den Anspruch auf Herausgabe des aufgegebenen Reisegepäcks verbrieft, kann auch die Geltendmachung des Ersatzanspruchs bei Verlust des Gepäcks nicht an die Vorlage eines Gepäckscheins geknüpft werden. Der Anspruch nach Art. 17 Abs. 2 S. 1 MÜ steht daher auch einem Reisenden zu, der ihm gehörende Gegenstände in einem Gepäckstück eines anderen Mitreisenden in die Obhut des Luftfrachtführers gegeben hat.

BGH 15.3.2011, X ZR 99/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war im August 2008 mit einem von der Beklagten durchgeführten Flug zusammen mit ihrem Lebensgefährten von Frankfurt a.M. nach Malaga geflogen. Dabei ging die von der Klägerin als Reisegepäck aufgegebene Golfreisetasche verloren. Die Klägerin behauptete, dass sich in der Tasche außer ihrer eigenen auch die Golfausrüstung ihres Lebensgefährten im Wert von 750 € befunden hätte. Sie verlangte von dem beklagten Luftfahrtunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht Schadensersatz für den Verlust des Reisegepäcks.

AG und LG wiesen die Klage ab, soweit der geltend gemachte Betrag den Haftungshöchstbetrag nach Art. 22 Abs. 2 S. 1 des Montrealer Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28.5.1999 (MÜ) überstieg. Die Vorinstanzen waren der Ansicht, die Klägerin könne über den Haftungshöchstbetrag hinaus weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht Schadensersatz verlangen.

Bei Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck sei Anspruchsberechtigter nach Art. 17 Abs. 2 S. 1 MÜ nur derjenige, der das Gepäck aufgegeben und dadurch zum Objekt des Luftbeförderungsvertrags gemacht habe. Dabei müsse eine Verbindung zwischen dem Reisenden und dem Gepäck gegeben sein. Diese Zuordnung werde durch den nach Art. 3 Abs. 3 MÜ vom Luftfrachtführer auszuhändigenden Gepäckschein dokumentiert.

Zwar müsse auch ein Passagier, der Eigentum im Gepäck eines Mitreisenden verloren habe, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Luftfrachtführer geltend machen können. Er könne aber keinen Ersatz mehr verlangen, wenn der Mitreisende, der das betreffende Gepäckstück aufgegeben habe, für den Verlust bereits die höchstmögliche Entschädigung nach den Vorschriften des MÜ erhalten habe.

Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Ersatzanspruch nach Art. 17 Abs. 2 S. 1 MÜ nicht nur demjenigen Reisenden zu, der die Aufgabe seines Gepäcks durch einen Gepäckschein nach Art. 3 Abs. 3 MÜ dokumentieren kann.

Da der Gepäckschein als Legitimationspapier nach § 808 BGB nicht den Anspruch auf Herausgabe des aufgegebenen Reisegepäcks verbrieft, kann auch die Geltendmachung des Ersatzanspruchs bei Verlust des Gepäcks nicht an die Vorlage eines Gepäckscheins geknüpft werden. Der Anspruch nach Art. 17 Abs. 2 S. 1 MÜ steht daher auch einem Reisenden zu, der ihm gehörende Gegenstände in einem Gepäckstück eines anderen Mitreisenden in die Obhut des Luftfrachtführers gegeben hat. Dabei ist der Anspruch auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Haftungshöchstgrenze nach Art. 22 Abs. 2 MÜ mit der Befriedigung der Ansprüche des Reisenden, der das verloren gegangene Gepäckstück aufgegeben hat, bereits ausgeschöpft ist. Denn Art. 22 Abs. 2 S. 1 MÜ bemisst die Haftungshöchstgrenze nach seinem Wortlaut ausdrücklich je Reisenden.

Linkhinweise:

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BGH PM Nr. 42 vom 15.3.2011
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