02.08.2018

Schuldzinsenabzug bei steuerpflichtigen Erstattungszinsen

Schuldzinsen für ein Darlehen, das zur Finanzierung einer Einkommensteuernachzahlung aufgenommen worden ist, können als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig sein, wenn die Einkommensteuer später wieder herabgesetzt und hierfür steuerpflichtige Erstattungszinsen i.S. des § 233a AO i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG gezahlt werden. Insoweit liegt ein Fall erzwungener Kapitalüberlassung vor, bei dem es zur Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und späteren Zinseinnahmen ausreicht, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, eine (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.2.2018 - VIII R 53/14

AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 233a

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 12 Nr. 3, § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 


Streitig war, ob Schuldzinsen für ein Darlehen, das im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Einkommensteuernachzahlung aufgenommen worden ist, in den Streitjahren 2002 bis 2004 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, da das FA die Einkommensteuer später wieder herabgesetzt und dem Steuerpflichtigen steuerpflichtige Erstattungszinsen gezahlt hat.

Der BFH hat dies bejaht und entschieden, dass es bei erzwungenen Kapitalüberlassungen zur Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und späteren Zinseinnahmen ausreicht, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, eine (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen. Denn bei erzwungenen Kapitalüberlassungen liegt darin kein willkürlicher Wechsel des Finanzierungszwecks, sondern der wirtschaftliche Zusammenhang ergibt sich aus den objektiven Umständen.

Vor diesem Hintergrund hatte das FG zu Unrecht den erforderlichen Veranlassungszusammenhang des für die Streitjahre 2002 bis 2004 geltend gemachten Zinsaufwands mit den Einkünften des Steuerpflichtigen aus Kapitalvermögen verneint. Vielmehr reicht es zur Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und späteren Erstattungszinsen aus, dass das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, eine (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen.

Im Streitfall war in den Darlehensverträgen als Verwendungszweck auf die Steuernachzahlungen Bezug genommen worden. Diese Steuernachzahlungen hatten sich unter Berücksichtigung der Änderungsbescheide des Jahres 2004 auch als teilweise nicht gerechtfertigt herausgestellt. Ob der daraus resultierende Erstattungsanspruch bereits mit Erlass der materiell rechtswidrigen Bescheide im Jahr 2002 oder erst mit deren formeller Korrektur im Jahr 2004 entstand, war für die wertende Betrachtung des Veranlassungszusammenhangs letztlich ebenso unerheblich wie die formelle Bescheidlage zum Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung des Darlehens. Maßgebend waren allein die objektiven Umstände, wie sie sich nach Korrektur der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1998 und Zahlung der Erstattungszinsen im Jahr 2004 darstellten.

Dem Werbungskostenabzug steht in einem solchen Fall auch § 12 Nr. 3 EStG nicht entgegen. Die Vorschrift ordnet an, dass Steuern vom Einkommen sowie die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Zu den steuerlichen Nebenleistungen gehören gemäß § 3 Abs. 4 AO auch Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a AO.

Im Streitfall waren die Voraussetzungen des § 12 Nr. 3 EStG nach dessen Wortlaut jedoch nicht erfüllt. Denn es ging weder um den Abzug der (nachgeforderten) Einkommensteuer noch um den Abzug der darauf entfallenden Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO, sondern allein um den Abzug des Zinsaufwands für ein Darlehen, das der Steuerpflichtige zur Refinanzierung der Zahlung der nachgeforderten Einkommensteuer und der darauf entfallenden Nachzahlungszinsen aufgenommen hatte.

Ob ein solcher Zinsaufwand durch weite Auslegung der Vorschrift vom unmittelbaren Anwendungsbereich des § 12 Nr. 3 EStG erfasst wird, brauchte der BFH im Streitfall nicht abschließend zu entscheiden. Denn soweit das FA im Jahr 2004 die Einkommensteuerbescheide wieder geändert und für die ursprünglichen Nachforderungen Steuererstattungen festgesetzt hatte, lagen bereits keine nachträglichen Einkommensteuerzahlungen oder Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO (mehr) vor. Auch insoweit sind im Fall der erzwungenen Kapitalüberlassung allein die objektiven Umstände maßgeblich, wie sie sich nach Änderung der Einkommensteuerbescheide im Jahr 2004 darstellten.

Das FG durfte den Werbungskostenabzug auch nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen ablehnen. Denn in den Fällen erzwungener Kapitalüberlassungen kommt es letztlich nicht auf die Feststellung der subjektiven Einkünfteerzielungsabsicht an. Maßgebend ist allein die objektive Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit, d.h. die Frage, ob die Erstattungszinsen nach Abzug des als Werbungskosten zu berücksichtigenden Zinsaufwands bei objektiver (nachträglicher) Betrachtung zu einem Totalüberschuss führen.

Im Streitfall kam es zu einem solchen Totalüberschuss, da die vom Steuerpflichtigen insgesamt geltend gemachten Werbungskosten nicht den Betrag der erzielten Erstattungszinsen erreichten. Hierfür kommt es auf den objektiven periodenübergreifenden Totalüberschuss an. Deshalb ist es unerheblich, ob der Zinsaufwand bei isolierter Betrachtung einzelner Darlehen oder Zeitabschnitte über den erzielten Erstattungszinsen liegt.

BFH, Urteil vom 28.2.2018, VIII R 53/14, veröffentlicht am 1.8.2018.
Verlag Dr. Otto Schmidt