30.08.2017

Vorsteuerabzug einer Gemeinde aus den Herstellungskosten einer Sporthalle

Eine Gemeinde ist zum teilweisen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten einer Sporthalle, die sie (auch) Vereinen gegen eine nicht kostendeckende Nutzungspauschale überlässt, berechtigt, wenn die Prüfung aller Umstände ergibt, dass der für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwschen Nutzungsüberlassung und Entgelt nicht gelöst ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 28. 6. 2017 - XI R 12/15

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 2 Abs. 3 Satz 1 a.F., § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 10 Abs. 5, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 27 Abs. 1
MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2, Art. 132 Abs. 1 Buchst. m
FGO § 93 Abs. 3 Satz 2, § 118 Abs. 1 und 2

Im Streitfall errichtete eine Stadt (Steuerpflichtige) eine Sporthalle mit angrenzender Gaststätte. Die vier Hallenteile umfassende Sporthalle sollte nach ihrer Fertigstellung für Zwecke des Schulsports genutzt werden. Zudem beabsichtige die Steuerpflichtige, die Sporthalle daneben auch an Vereine für Zwecke des Erwachsenensports zu einem Entgelt zu überlassen, das nur teilweise die Betriebskosten deckt.

Streitig war nun der von der Steuerpflichtigen geltend gemachte Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten der Sporthalle, soweit er anteilig auf die Überlassung der Sporthalle an die Vereine entfiel. Während das FA diesen ablehnte, ließ das FG den Vorsteuerabzug zu, da die Steuerpflichtige als Unternehmerin eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt habe und sie zum anteiligen Vorsteuerabzug aus den zur Errichtung dieser Halle bezogenen mit Mehrwertsteuer belasteten Eingangsleistungen berechtigt sei.

Diese Auffassung bestätigte der BFH im sich anschließenden Revisionsverfahren. Eine Dienstleistung wird dann "gegen Entgelt" erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet. Der Umstand, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis unter oder über dem Selbstkostenpreis ausgeführt wird, ist unerheblich, wenn es darum geht, einen Umsatz als "entgeltlichen Umsatz" zu qualifizieren. Dieser Begriff setzt nämlich lediglich das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der Gegenleistung voraus, die der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat. Maßgeblich ist somit allein das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der Gegenleistung, die der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat.

Der BFH stellte heraus, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen nicht allein deshalb ausgeschlossen ist, weil das von ihr erhobene Entgelt nur einen geringen Teil der Kosten deckte. Im Streitfall wies der Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem zu entrichtenden Gegenwert die erforderliche Unmittelbarkeit auf, um diesen Gegenwert als ein Entgelt für diese Dienstleistung und damit diese als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 MwStSystRL ansehen zu können, weil

• die Leistung am allgemeinen Markt angeboten wurde,
• das Entgelt marktüblich war und
• von der tatsächlichen Nutzungsinanspruchnahme abhing.

Denn bei der Überlassung der Sporthalle an Vereine handelte es sich um eine Leistung, die auf dem allgemeinen Markt angeboten wurde. Das erhobene Entgelt war angemessen und für (gemeindeeigene) Mehrzweckhallen allgemein üblich, entsprach der in den Nachbargemeinden durchgeführten Praxis und wurde auch von der Gemeindeprüfungsanstalt nicht beanstandet. Die Bedingungen, unter denen die Steuerpflichtige ihre Dienstleistung erbracht hatte, unterschieden sich mithin nicht von denen, unter denen die Tätigkeit der Sporthallenüberlassung von Gemeinden üblicherweise vorgenommen wird.

Darüber hinaus stellte der BFH klar, dass bei einer defizitären Leistungstätigkeit von Gemeinden im Rahmen der Daseinsvorsorge die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG grundsätzlich nicht (entsprechend) anwendbar ist.

BFH, Urteil vom 28.6.2017, XI R 12/15, veröffentlicht am 30.8.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt