20.02.2024

Angabe von Kündigungsgründen bei befristet beschäftigten Arbeitnehmern

Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer ist über die Gründe der ordentlichen Kündigung seines Arbeitsvertrags zu informieren, wenn vorgesehen ist, dass Dauerbeschäftigten diese Information mitgeteilt wird. Eine nationale Regelung, die vorsieht, dass nur Dauerbeschäftige über die Kündigungsgründe informiert werden, verstößt gegen das Grundrecht des befristet beschäftigten Arbeitnehmers auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

EuGH v. 20.2.2024 - C-715/20
Der Sachverhalt:
Bei einem polnischen Gericht ist ein Rechtsstreit zwischen einem mittels befristetem Arbeitsvertrag angestellten Arbeitnehmer und seinem ehemaligen Arbeitgeber anhängig. Im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften hat der Arbeitgeber den Vertrag ohne Angabe von Kündigungsgründen ordentlich gekündigt. Der Arbeitnehmer macht geltend, dass die Kündigung ungerechtfertigt sei und führt aus, dass die fehlende Angabe von Kündigungsgründen gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoße, der sowohl im Unionsrecht als auch im polnischen Recht verankert sei. Denn bei der Auflösung von unbefristeten Arbeitsverträgen sei nach polnischem Recht die Mitteilung der Kündigungsgründe verpflichtend.

Das polnische Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob diese unterschiedlichen Kündigungsanforderungen je nach Art des betreffenden Arbeitsvertrags mit der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar sind. Außerdem stellt es die Frage, ob diese Vereinbarung auf einen Rechtsstreit zwischen Privatpersonen anwendbar ist.

Der EuGH hat entschieden, dass ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer über die Gründe der ordentlichen Kündigung seines Arbeitsvertrags zu informieren ist, wenn vorgesehen ist, dass Dauerbeschäftigten diese Information mitgeteilt wird. Eine nationale Regelung, die vorsieht, dass nur Dauerbeschäftige über die Kündigungsgründe informiert werden, verstößt gegen das Grundrecht des befristet beschäftigten Arbeitnehmers auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

Die Gründe:
Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Arbeitgeber die ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsvertrags nicht begründen muss, obwohl für die Kündigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags eine solche Begründungspflicht besteht. In diesem Fall wird dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer eine Information vorenthalten, die für die Beurteilung von Bedeutung ist, ob die Kündigung ungerechtfertigt ist, und ob gegebenenfalls gerichtlich dagegen vorgegangen werden soll. Da diese Ungleichbehandlung das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt, hat das nationale Gericht, das über einen Rechtsstreit zwischen Privatpersonen zu entscheiden hat, die nationale Regelung soweit erforderlich unangewendet zu lassen, wenn es diese nicht unionsrechtskonform auslegen kann.

Die Rahmenvereinbarung soll durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern.

Wenn der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nicht über die Gründe der Kündigung seines Vertrags informiert wird, wird ihm eine Information vorenthalten, die für die Beurteilung von Bedeutung ist, ob die Kündigung ungerechtfertigt ist. Ihm fehlt daher im Vorfeld eine Information, die für die Entscheidung über eine mögliche Klageerhebung ausschlaggebend sein kann. Das in Rede stehende polnische Recht begründet somit eine für befristet beschäftigte Arbeitnehmer nachteilige Ungleichbehandlung. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob sich der befristet beschäftigte Arbeitnehmer im vorliegenden Fall in einer vergleichbaren Situation befindet wie ein Arbeitnehmer, der vom selben Arbeitgeber unbefristet eingestellt wurde.

Die bloße temporäre Natur eines Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigt die schlechtere Behandlung befristet beschäftigter Arbeitnehmer nicht. Die mit dieser Form des Arbeitsvertrags verbundene Flexibilität wird durch die Mitteilung der Kündigungsgründe nicht beeinträchtigt.

Obwohl das nationale Gericht die volle Wirkung des Unionsrechts zu gewährleisten hat, ist es im vorliegenden Fall nicht verpflichtet, die nationale Bestimmung nur deshalb auszuschließen, weil sie gegen die Rahmenvereinbarung verstößt. In einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen kann die Rahmenvereinbarung, die im Anhang einer Richtlinie enthalten ist, nämlich nicht zur Anwendung kommen. Die in Rede stehende Ungleichbehandlung verletzt jedoch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, das durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistet wird. Wenn das anwendbare nationale Recht nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann, ist das nationale Gericht daher verpflichtet, die in Rede stehende nationale Regelung so weit unangewendet zu lassen, als es erforderlich ist, um für die volle Wirksamkeit dieses Grundrechts zu sorgen.

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EuGH PM Nr. 29 vom 20.2.2024
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