Ehrschutzklage einer Teamleiterin wegen getätigter Äußerungen durch einen Arbeitskollegen
LAG Niedersachsen v. 7.4.2025 - 15 SLa 855/24Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin wegen behaupteter Äußerungen des Beklagten. Die Klägerin war seit 1996 als Teamleiterin der Personalzeitwirtschaft bei der H. M. GmbH beschäftigt. Der Beklagte ist bei der H. M. GmbH der Personalabteilung beschäftigt. Die Klägerin und der Beklagte waren Arbeitskollegen.
Im Oktober 2020 führte die Arbeitgeberin für fast alle Abteilungen des Unternehmens Kurzarbeit ein. In diesem Monat leisteten die Klägerin 14 und der Beklagte 16 Überstunden. Im November 2020 bat der Personalleiter der Arbeitgeberin G. die Klägerin und den Beklagten um eine Begründung für die geleisteten Überstunden. Die Erforderlichkeit der Überstunden ließ sich aus Sicht der Arbeitgeberin nicht aufklären.
Am 15.1.2024 sandte der Personalleiter G. eine E-Mail an die Klägerin, die auszugsweise lautet:
"Überstunden im Monat Oktober 2020, durch Frau A. in Höhe von 14,75 Stunden durch Herrn C. in Höhe von 16 Stunden. Laut Aussage von Herrn C. waren diese Überstunden nicht notwendig, Sie, als Vorgesetzte von Herrn C., haben ihn damals gebeten, Überstundengründe zu fingieren, um die wirtschaftlichen Nachteile der Kurzarbeit für Sie und ihn auszugleichen."
Die Klägerin forderte den Beklagten auf, wegen der in der E-Mail dargestellten Äußerungen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Anfang 2024 kündigte die H. M. GmbH das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos. Im Verfahren über die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage trug die Arbeitgeberin vor, der Beklagte sei Ende 2023 an den Personalleiter herangetreten und habe ihm mitgeteilt, die Klägerin habe gebeten, dass er und sie fingierte Überstunden leisten sollten, um die finanziellen Nachteile durch die Kurzarbeit auszugleichen. Das Kündigungsschutzverfahren endete durch Vergleich, in dem sich die Klägerin und ihre Arbeitgeberin auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verständigten.
Die Klägerin beantragte, den Beklagten zur Unterlassung der beiden Aussagen zu verurteilen:
1. die im Oktober 2020 bei der Klägerin angefallenen 14 Überstunden und die beim Beklagten im Oktober 2020 angefallenen 16 Überstunden seien nicht notwendig gewesen,
2. die Klägerin habe den Beklagten damals gebeten, Überstundengründe zu fingieren, um wirtschaftliche Nachteile der Kurzarbeit für sie und ihn auszugleichen.
Die Klägerin ist der Ansicht, diese Äußerungen seien unwahre Tatsachenbehauptungen. Sie verletzten sie in ihrem allgemeinen besonderen Persönlichkeitsrecht und der Beklagte sei zur Unterlassung, zum Widerruf und zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.
Das ArbG wies die Klage ab. Das LAG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Es besteht die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde und der sofortigen Beschwerde.
Die Gründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das ArbG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Es bestehen bereits Bedenken, ob die Klage zulässig ist, jedenfalls ist sie insgesamt unbegründet.
Für die Klage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH besteht für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen oder die dort in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten, etwa als Zeuge, gemacht werden, in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche bzw. eine in einem weiteren Verfahren erfolgte Verurteilung zur Unterlassung oder Beseitigung in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Dies gilt auch dann, wenn das andere Verfahren bereits abgeschlossen ist.
Der Beklagte hat die Äußerungen, aufgrund derer die Klägerin ihre Ansprüche geltend macht unstreitig ausschließlich im Rahmen der Vorbereitung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch die gemeinsame Arbeitgeberin und damit auch in Vorbereitung des Kündigungsschutzprozesses getätigt.
Das Rechtsschutzbedürfnis kann auch nicht ausnahmsweise angenommen werden. Zwar gilt der Grundsatz, dass Äußerungen in einem Zivilprozess nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 33 GG) und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103. Abs. 1 GG) nicht aus Gründen des Ehrschutzes zu zivilrechtlichen Nachteilen führen dürfen mangels redlichen Handelns des sich Äußernden nicht, wenn die betreffenden Behauptungen wissentlich unwahr erfolgen (vgl. BAG v. 24.8.2023 - 2 AZR 306/22, Rnr. 31). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.
Es lässt sich nicht feststellen, dass die behaupteten Äußerungen des Beklagten wissentlich unwahr erfolgte Behauptungen sind. Die Äußerungen stellen keine Tatsachenbehauptungen, sondern Meinungsäußerungen dar.
Die Äußerung des Beklagten, die Überstunden im Oktober seien nicht erforderlich gewesen, ist durch ihre Subjektivität geprägt. Sie enthält ein wertendes Element. Erforderlich bedeutet:" für einen bestimmten Zweck unbedingt notwendig; unerlässlich". Ob die Voraussetzungen für die Annahme einer Erforderlichkeit vorliegen, unterliegt der persönlichen Einschätzung des Verwenders des Begriffes. Die Bezeichnung der Überstunden als "nicht erforderlich" gibt die Wiedergabe dieser Einschätzung durch den Beklagten dar und ist damit ersichtlich eine wertende Stellungnahme. Die Frage, ob die Überstunden erforderlich gewesen sind, hängt dabei nicht von der Einschätzung des Beklagten, sondern von den objektiven Umständen und der Bewertung durch die Arbeitgeberin ab.
Auch die Äußerung, die Klägerin habe ihn gebeten, Überstundengründe zu fingieren, stellt ein Werturteil dar. Bei der Aussage ist bereits unklar, ob der Beklagte damit eine wörtliche Äußerung der Klägerin oder eine sinngemäße Darstellung der Gespräche mit der Klägerin wiedergeben wollte. Der Beklagte hat im Rechtsstreit vorgetragen, er habe sich mit der Klägerin verständigt, die Arbeit in die Länge zu ziehen.
Ein Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht deswegen anzunehmen, weil die behaupteten Äußerungen des Beklagten als Schmähkritik nicht dem Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen. Die Äußerungen des Beklagten stellen keine Schmähkritik dar.
Die Klage ist aber auch insgesamt unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch analog § 1004 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB nicht zu.
Aus dem Gesamtkontext der Äußerungen ergibt sich nicht, dass es sich um Tatsachenbehauptungen gehandelt hat. Die Kammer verkennt nicht, dass die Äußerungen einen Tatsachenkern haben und jedenfalls im Hinblick auf die Äußerung, die Klägerin habe den Beklagten gebeten, Überstundengründe zu fingieren, auf einen behaupteten Sachverhalt Bezug nehmen. Es überwiegt aber bei den behaupteten Äußerungen das Element der Stellungnahme und sie sind insgesamt als Meinungsäußerung einzuordnen.
Es besteht auch nicht die erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird nicht dadurch begründet, dass der Beklagte die Äußerungen gegenüber der Arbeitgeberin aufgestellt und sein Ziel, die Klägerin aus dem Betrieb zu drängen, erreicht hat.
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