08.08.2023

Übertragung von gesetzlichem und tariflichem Urlaub bei Erkrankung des Arbeitnehmers

§ 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA findet auf den gesetzlichen Mindesturlaub keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des gesetzlichen Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. § 7 Abs. 3 BUrlG ist unionrechtskonform dahin auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahrs und/oder des Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und es ihm deshalb nicht möglich ist, den Urlaub zu nehmen.

LAG München v. 23.3.2023, 3 Sa 497/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist bei der beklagten Stadt seit März 1985 als Mitarbeiter im Warenmanagement (Lagerist) beschäftigt. Nach § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags findet der TVöDVKA Anwendung.

Am 19.3.2020 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 5.1.2021 wies die Beklagte ihn darauf hin, dass ihm aus dem Jahr 2020 ein Resturlaub im Umfang von 22 Tagen zustehe, den er bis zum 31.3.2021 antreten müsse. Sollte er über den 31.3.2021 erkranken, würden noch bestehende Resturlaubsansprüche automatisch bis zum 31.5.2021 übertragen werden. Zu diesem Zeitpunkt verfiele der Resturlaub aus 2020 ersatzlos.

Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand bis zum 30.4.2021 fort. Für den Zeitraum 31.5.2021 bis 4.6.2021 beantragte der Kläger Urlaub, den die Beklagte gewährte. Am 12.8.2021 beantragte der Kläger, den gesetzlichen und tariflichen Urlaub aus 2020 bis zum 31.3.2021 zu übertragen. Dies lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger war der Ansicht, die Regelung in § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA werde durch § 7 Abs. 3 BUrlG verdrängt, der unionsrechtskonform dahin auszulegen sei, dass der Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfalle. Wegen seiner dauernden Erkrankung über den dreimonatigen Übertragungszeitraum des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG hinaus sei der Urlaub in den Übertragungszeitraum bis 31.3.2022 zu übertragen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Urlaubskonto des Klägers acht Tage gesetzlichen Urlaub gutzuschreiben, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das LAG hat die Entscheidung in der Berufung bestätigt. Allerdings wurde die Revision zum BAG zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger hat Anspruch auf Gutschrift von acht gesetzlichen Urlaubstagen aus 2020 auf sein Urlaubskonto gem. §§ 275 Abs. 1 und 4, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. 1, 287 Satz 2, 249 Abs. 1 BGB. Der Urlaubsanspruch ist nicht nach § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA mit Ablauf des 31.5.2021 verfallen.

§ 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA findet auf den gesetzlichen Mindesturlaub keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des gesetzlichen Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. § 7 Abs. 3 BUrlG ist unionrechtskonform dahin auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahrs und/oder des Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und es ihm deshalb nicht möglich ist, den Urlaub zu nehmen. Der aufrecht erhaltene Urlaubsanspruch tritt in diesem Fall zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu und ist damit erneut nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristet. Er erlischt allerdings bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit fünfzehn Monate nach dem Ende des Urlaubsjahrs.

Mit § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA liegt ein eigenständiges Fristenregime gegenüber § 7 Abs. 3 BurlG ("antreten" statt "gewährt und genommen werden") vor, aus dem zu schließen ist, dass die Tarifvertragsparteien einen "Gleichlauf" des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub bzgl. des Verfalls nicht gewollt haben. Die tarifliche Regelung betrifft deshalb nur den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD-VKA geregelten Gesamturlaubsdauer. Für dieses Normverständnis spricht auch die Auslegung des § 26 Abs. 2 a) TVöDVKA nach den für Tarifverträge geltenden Auslegungsgrundsätzen.

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