10.08.2011

Aufwendungen für den Besuch einer Schule für Hochbegabte können außergewöhnliche Belastungen darstellen

Aufwendungen für den Schulbesuch eines hochbegabten Kindes können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn der Schulbesuch medizinisch angezeigt ist. Der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung muss nach der neuen BFH-Rechtsprechung nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers geführt werden.

BFH 12.5.2011, VI R 37/10
Der Sachverhalt:
Beim heute 24-jährigen Sohn der Kläger war ein Intelligenzquotient von 133 festgestellt worden, woraufhin er von der zweiten in die vierte Grundschulklasse wechselte. Anschließend besuchte er ein Gymnasium. Im Jahr 1999 verweigerte der Sohn den Schulbesuch und verhielt sich Mitschülern gegenüber aggressiv.

Aufgrund dieser Verhaltensauffälligkeiten empfahl sowohl der Allgemeine Sozialdienst als auch die Hausärztin den Besuch einer Hochbegabtenschule in Schottland. Da eine solche Schule für die Altersgruppe, in der sich das Kind in den Streitjahren befand, in Deutschland nicht verfügbar war, sei die Unterbringung in Schottland demnach therapeutisch notwendig gewesen, um der Fehlentwicklung des Kindes entgegen zu wirken und eine bleibende seelische und soziale Schädigung zu verhindern. Ein nachträglich hinzugezogener Amtsarzt bestätigte diese Diagnose.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2001 und 2002 machten die Kläger Schul- und Internatskosten i.H.v. 51.616 DM (2001) und 23.457 € (2002) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt ließ diese Kosten allerdings nicht zum Abzug zu, weil die medizinische Notwendigkeit der Internatsunterbringung des Kindes nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden war.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das zurück.

Die Gründe:
Das FG hat den Abzug der geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die Kläger die medizinische Notwendigkeit der Internatsunterbringung ihres Sohnes nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen hatten.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Hierzu gehören insbesondere Krankheitskosten und zwar auch dann, wenn sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, unter der ein unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind des Steuerpflichtigen leidet.

Da der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung nach der neuen BFH-Rechtsprechung nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers geführt werden muss, sondern auch noch später und durch alle geeigneten Beweismittel geführt werden kann, wird das FG im weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob der Besuch der schottischen Schule wegen der Hochbegabung des Kindes medizinisch angezeigt war. In einem solchen Fall können die geltend gemachten Kosten unmittelbare Krankheitskosten sein. Dies gilt dann auch für Kosten einer auswärtigen der Krankheit geschuldeten Internatsunterbringung, selbst wenn diese zugleich der schulischen Ausbildung dient.

Die außergewöhnlichen Belastungen sind dabei nur insoweit abziehbar, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst getragen hat. Infolgedessen müssen sich die Kläger etwa die Jugendhilfeleistungen der Stadt, die sie für den Schulbesuch des Sohnes erhalten hatten, belastungsmindernd anrechnen lassen.

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BFH PM Nr. 61 vom 10.8.2011
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