17.07.2025

Beihilfeprüfung und steuerrechtliche Gemeinnützigkeit von Servicekörperschaften

Der BFH hat dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 107 und Art. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (AEUV) in Bezug auf gemeinnützigkeitsrechtliche Steuervergünstigungen im nationalen Recht (§§ 51 bis 68 AO) vorgelegt.

Kurzbesprechung
EuGH-Vorlage v. 22.5.2025 - V R 22/23

AEUV Art. 107 Abs. 1, Art. 108 Abs. 3
AO § 51, § 57 Abs. 1, § 57 Abs. 3, § 64 Abs. 1, § 65
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
GewStG § 3 Nr. 6
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. 1
EGV 794/2004 Art. 4 Abs. 1
EGRL 112/2006 Art. 98 Abs 2, 112/2006 Anh. 3 Nr. 15
EUV 2015/1589 Art. 1


Der BFH hat dem EuGH mehrere Fragen zur Vereinbarkeit der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit mit dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot vorgelegt. Zu klären sind folgende Fragen:
  • Kommt der Erweiterung der Steuerbegünstigung für Zweckbetriebe auf sog. Servicekörperschaften (= Gesellschaften, die Dienstleistungen gegen Vergütung in Kooperation mit einer als gemeinnützig anerkannten Körperschaft erbringen) der Charakter einer Beihilfe nach Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) zu? 
  • Liegt eine nicht dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot unterfallende Altbeihilfe vor, weil § 57 Abs. 3 AO nur einer Regelung ähnelt, die schon vor dem Inkrafttreten des Vertrags über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 1.1.1958 vorgelegen hat?

Die für die Steuerbegünstigung bei Gemeinnützigkeit erforderliche unmittelbare Verfolgung steuerbegünstigter satzungsmäßiger Zwecke setzt grundsätzlich voraus, dass die begünstigte Körperschaft diese Zwecke selbst verwirklicht. Aufgrund des durch das Jahressteuergesetz 2020 neu geschaffenen § 57 Abs. 3 AO kann dieses Erfordernis nunmehr unter erleichterten Bedingungen erfüllt werden.

Lagert z.B. ein Krankenhaus eine bislang im steuerbegünstigten Zweckbetrieb "Krankenhaus" geführte Wäscherei auf eine eigenständige GmbH aus, soll es durch die Neuregelung ermöglicht werden, nunmehr auch die Wäscherei-GmbH als steuerbegünstigte Körperschaft anzusehen, wenn ein planmäßiges Zusammenwirken mit dem Krankenhaus vorliegt. Hierdurch kommt es zu einer steuerrechtlichen Bevorzugung dieser GmbH gegenüber anderen Wettbewerbern.

Im Streitfall, der dem EuGH vorgelegt wurde, beabsichtigt die Steuerpflichtige, als Servicekörperschaft Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und des Rechnungswesens für eine gemeinnützige Stiftung zu erbringen. Ist im Rahmen des streitigen Feststellungsverfahrens nach § 60a AO aufgrund der Neuregelung von einer unmittelbaren steuerbegünstigten Zweckverfolgung auszugehen, kann sie z.B. ihre Leistungen an die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Stiftung zum ermäßigten Umsatzsteuersatz erbringen, während Wettbewerber dieselben Leistungen nur zum Regelsteuersatz erbringen können. Damit kann die Neuregelung des § 57 Abs. 3 AO in Bezug auf die Erbringung beliebiger marktgängiger Leistungen auf dem Nachfragemarkt steuerbegünstigter Körperschaften als zu Lasten anderer Anbieter wettbewerbsrelevant angesehen werden.

Der EuGH hat nunmehr unter Auslegung von Art. 107 und Art. 108 AEUV zu entscheiden, ob eine beihilferelevante Unternehmensbegünstigung vorliegt. Zu klären sein wird insbesondere, ob die zu Lasten der steuerbegünstigten Körperschaften bestehenden Beschränkungen der Annahme einer Beihilfe entgegenstehen können.

Sollte der EuGH entscheiden, dass § 57 Abs. 3 AO eine neue Beihilfe darstellt, die wettbewerbsverzerrend wirkt, dürfte die Vorschrift nicht mehr angewendet werden. Servicekörperschaften wie auch der Steuerpflichtigen wäre der Status der steuerbegünstigten Gemeinnützigkeit zu versagen.

Verlag Dr. Otto Schmidt