03.05.2018

Einheitliche Entschädigung bei mehreren Zahlungen

Verpflichtet sich der Arbeitgeber vertraglich, im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mehrere Zahlungen an den Arbeitnehmer zu leisten, ist eine einheitliche Entschädigung nur anzunehmen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür festgestellt sind, dass sämtliche Teilzahlungen "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden sind.

Kurzbesprechung
BFH v. 9.1.2018 - IX R 34/16

EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2
BGB § 670, § 779
FGO § 119 Nr. 6
ZPO § 563 Abs. 1 Satz 2

Im Streitfall ging es um Entschädigungsleistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach einem Überfall, der nach Auffassung des Steuerpflichtigen beruflich bedingt war, was vom Arbeitgeber jedoch bestritten wurde.

Im Juni 2012 schlossen der Steuerpflichtige und sein Arbeitgeber einen "Aufhebungsvertrag und Vergleich" (Vergleich). Die Parteien verständigten sich u.a. darüber, das Arbeitsverhältnis des Steuerpflichtigen auf Betreiben des Arbeitgebers zum 30. Juni 2012 zu beenden. Die aus der Pensionszusage zu zahlende Altersrente wurde einvernehmlich beziffert. Der Beginn der Pensionszahlung wurde auf den für den Steuerpflichtigen geltenden gesetzlichen Renteneintritt festgelegt.

Der Arbeitgeber verpflichtete sich darüber hinaus, an den Steuerpflichtigen zwei Mal einen Geldbetrag zu zahlen. Nach dem Vergleich sollte zum einen eine Abfindung für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses sowie für mögliche Verdienstausfälle und zum anderen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Schadenersatz geleistet werden. Dazu heißt es in der Präambel des Vertrags, der Arbeitgeber bestreite den Anspruch. Es sei nicht mit Sicherheit nachweisbar, dass der Überfall auf die dienstliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Man sei aber bereit, sich über möglicherweise bestehende und in Zukunft entstehende Schadenersatzansprüche zu vergleichen, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden und um beiderseitige Risiken zu begrenzen. Der Arbeitgeber verpflichtete sich deshalb zum Ausgleich der möglicherweise aus dem Überfall entstandenen und in Zukunft entstehenden Ansprüche auf eine Mehrbedarfsrente und ein etwaiges Schmerzensgeld einen Betrag in bestimmter Höhe zu zahlen.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2012 beantragte der Steuerpflichtige, den Ver-gleichsbetrag für sonstigen Schadenersatz steuerfrei zu belassen. Das FA lehnte dies jedoch ab mit der Begründung, insofern sei eine zusätzliche Abfindung gemäß §§ 19, 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu berücksichtigen. Eine Mehrbedarfsrente liege nicht vor. Der Steuerpflichtige habe darauf keinen Anspruch; auch ein Anspruch aus § 670 BGB bestehe nicht.

Nachdem das FG die eingelegte Klage abgewiesen hatte, hob der BFH im Revisionsverfahren die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall an das FG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und Entscheidung zurück.

Eine "Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen" setzt begrifflich voraus, dass ein Anspruch auf Einnahmen begründet war und weggefallen ist. Die Entschädigung muss den Zweck haben, die weggefallenen Einnahmen zu ersetzen. Sie muss auf einer neuen Rechtsgrundlage beruhen; Erfüllungsleistungen sind keine Entschädigung. Bei den Einnahmen, deren Ausfall ersetzt werden soll, muss es sich um steuerbare Einnahmen handeln; sie müssen (im Erfüllungsfall) einer Einkunftsart (§ 2 Abs. 2 EStG) unterfallen.

§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG schafft keine eigene Einkunftsart. Leistungen, die Ansprüche erset-zen sollen, die bei ihrer Erfüllung zu nicht steuerbaren Einnahmen geführt hätten, fallen daher nicht unter die Regelung. Schadenersatz wegen der Verletzung anderer Rechtsgüter (Gesundheit) fällt ebenso wenig darunter, wie etwa Ansprüche auf Ausgleich eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs oder auf Zahlung eines Schmerzensgelds.

Sind im Zusammenhang mit der Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mehrere (auch unterschiedliche) Entschädigungsleistungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen vereinbart, sind diese grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Dieser Grundsatz entbindet das FG jedoch nicht von der Prüfung, ob jede einzelne Entschädigung "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden ist. Eine Leistung, für die aufgrund der Umstände nicht anzunehmen ist, dass sie eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Leistungen darstellt, kann nicht aus Gründen der einheitlichen Beurteilung in den Besteuerungstatbestand hineingezogen werden.

Soweit das FG den Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung als Argument dafür an-geführt hat, dass für die vereinbarte Schadenersatzzahlung nichts anderes gelten könne als für die vereinbarte Abfindung, beruht dies auf einem Rechtsirrtum. Denn das FG muss nicht nur abstrakt für jede Teilzahlung ermitteln, ob sie die Voraussetzungen von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfüllt. Es muss dabei auch berücksichtigen, in welchem Rahmen üblicherweise Abfindungen vereinbart werden. Hierzu muss es den letzten regulären Verdienst des Steuerpflichtigen, die reguläre Kündigungsfrist und das Aufhebungsdatum feststellen und beurteilen, in welchem Umfang eine Entschädigung für entgangene Einnahmen zu erwarten und auch gerichtlich durchsetzbar gewesen wäre. Wenn neben einer Entschädigung, die sich in diesem Rahmen hält, eine weitere Zahlung vereinbart ist, die bei zusammenfassender Betrachtung den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreiten würde, spricht dies indiziell dafür, dass es sich insoweit nicht um eine Entschädigung für entgangene Einnahmen handelt. Unter der Annahme, dass die erste Teilentschädigung den Rahmen des Abfindungsanspruchs im Großen und Ganzen einhält, würde eine doppelt so hohe Gesamtentschädigung den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreiten.

Im Streitfall erscheint nach Auffassung des BFH auch der vom Steuerpflichtigen geltend ge-machte Anspruch gemäß § 670 BGB keineswegs ausgeschlossen. Denn der Steuerpflichtige hatte nachvollziehbar dargelegt, dass und weshalb er in seiner beruflichen Tätigkeit einem hohen persönlichen Risiko ausgesetzt war. Er hat dies anhand konkreter Angaben illustriert und unter Beweisantritt ausgeführt, dass diese Einschätzung nicht nur von der Kriminalpolizei, sondern in einer Vorstandssitzung auch von seinem Arbeitgeber geteilt worden ist. Außerdem hat er konkret dargelegt, dass der Täter seine ursprüngliche Aussage, es habe sich um eine spontane Tat gehandelt, revidiert und ihm gegenüber bekundet habe, im Auftrag gehandelt zu haben.

BFH, Urteil vom 9.1.2018, X R 34/16, veröffentlicht am 25.4.2018

Verlag Dr. Otto Schmidt
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