05.09.2011

Versagung einer Fristverlängerung wegen "Steuerfall mit Spitzensteuersatz" ist unzureichend

Die Verwaltungsvorschriften bzgl. der Fristverlängerung für Einkommensteuererklärungen sollen nach allgemeiner Ansicht einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Steuerpflichtigen, Steuerberatern und Finanzbehörden ermöglichen und beinhalten als Ermessensrichtlinien Grundsätze für die Ausübung des Ermessens im Einzelfall. Der Hinweis auf "Steuerfall mit Spitzensteuersatz" reicht hingegen als Begründung zur Versagung des Antrags auf Verlängerung der Abgabefrist der Einkommensteuererklärung nicht aus.

FG Düsseldorf 29.7.2011, 12 K 2461/11 AO
Der Sachverhalt:
Das Finanzamt hatte den Steuerberater der Kläger im März  2011 aufgefordert, die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 bis zum 30.9.2011 abzugeben. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Kläger in den vergangenen Veranlagungszeiträumen hohe Einkünfte erzielt hätten mit der Folge, dass der Spitzensteuersatz ausgelöst wurde. Die Kläger erhoben dagegen Einspruch und baten um eine nähere Begründung.

Die Finanzbehörde wies den Einspruch zurück. Unter Berücksichtigung des Erlasses der obersten Finanzbehörden der Länder vom 3.1.2011 verlängere sich die Frist zur Abgabe der Steuererklärung für steuerlich beratene Steuerpflichtige zwar allgemein, also regelmäßig und ohne Angabe von Gründen, bis zum 31.12. des Folgejahres. Im Einzelfall könne jedoch auch schon vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist die Erklärung angefordert werden. Somit sei die Entscheidung im vorliegenden Fall, die Frist zur Abgabe der Steuererklärung nicht bis zum 31.12.2011, sondern nur bis zum 30.9.2011 zu verlängern, sachgerecht.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Aufforderung an die Kläger, die Einkommensteuererklärung 2010 bis zum 30.9.2011 abzugeben, war ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.

Die Verwaltungsvorschriften sollen nach allgemeiner Ansicht einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Steuerpflichtigen, Steuerberatern und Finanzbehörden ermöglichen und beinhalten als Ermessensrichtlinien Grundsätze für die Ausübung des Ermessens im Einzelfall. Dem Gericht obliegt damit die Aufgabe, die im Einzelfall getroffene Ermessensentscheidung daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.

Hier hatte das Finanzamt allerdings in seiner Einspruchsentscheidung keine konkreten Ermessenserwägungen angestellt, die sich an den Tatbeständen der Verwaltungsvorschriften orientierten und die die im Einzelfall gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Kläger berücksichtigten. Vielmehr wurde nur theoretisch erörtert, dass sich bei "hohen Einkünften" "wegen des Spitzensteuersatzes" betragsmäßig "hohe Auswirkungen" "zuungunsten" wie "zugunsten" ergeben könnten, "sollten" sich gegenüber den festgesetzten Vorauszahlungen Abweichungen ergeben. Auch ein späterer Erlass sah nur die Möglichkeit vor, die Steuererklärung vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern, wenn hohe Abschlusszahlungen erwartet würden. Ob dies hier der Fall war, hatte das Finanzamt allerdings nicht entschieden.

Auch die Formulierung "wegen der Höhe der Einkünfte ist mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen zu rechnen" stellt keinen an einem konkreten auf den Sachverhalt der Kläger ausgerichteten und durch das Gericht nachprüfbaren Tatsachenvortrag dar. Einzelheiten zur Höhe der Einkünfte der Kläger waren der Einspruchsentscheidung insgesamt nicht zu entnehmen. Auch der Umstand, dass der Kläger nach Aktenlage Beteiligungseinkünfte erzielte, die Gegenstand einer Feststellungserklärung waren, und die Frage, ob bereits früher die Möglichkeit bestanden hätte, die Vorauszahlungen anzupassen, waren offenkundig nicht Gegenstand der Ermessenserwägungen.

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