Verschonungsbedarfsprüfung bei einer Familienstiftung
Praktische Fälle des SteuerrechtsA ist alleinige Kommanditistin der A‑GmbH & Co. KG. Bei der A‑GmbH & Co. KG handelt es sich um eine sog. Einheitsgesellschaft, die sämtliche Anteile an ihrer Komplementär-GmbH hält. Der Unternehmenswert der A‑GmbH & Co. KG beläuft sich nach bewertungsrechtlichen Vorschriften auf rd. 100 Mio. Euro. Die Personengesellschaft verfügt in vollem Umfang über begünstigtes Betriebsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.
A möchte ihre Nachfolge regeln. Sie hat einen Sohn, der über umfangreiches eigenes Vermögen verfügt, und drei Enkelkinder. Wenn A ihrem Sohn den Kommanditanteil im Wert von rd. 100 Mio. Euro schenken würde, hätte er eine Schenkungsteuer von rd. 30 Mio. Euro zu zahlen. Aufgrund der Höhe des übertragenen Vermögens würden die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für das Betriebsvermögen durch den Verschonungsabschlag nicht greifen. A zieht daher in Erwägung, zu Lebzeiten eine Stiftung zu errichten und ihren Kommanditanteil an der A‑GmbH & Co. KG zur Erstausstattung auf die Stiftung zu übertragen. Ihr Sohn soll Begünstigter der Stiftung sein. Die Kinder ihres Sohnes (Enkel) sollen erst nach seinem Tod Begünstigte werden.
Frage
1. Handelt es sich bei der von A in Erwägung gezogenen Stiftung um eine Familienstiftung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG?
2. Unterliegt die Übertragung des Kommanditanteils auf die Familienstiftung der Schenkungsteuer?
3. Kann die Schenkungsteuer nach § 28a ErbStG erlassen werden (Verschonungsbedarfsprüfung)?
4. Steht der Erlass unter bestimmten Bedingungen?
5. Unterliegen laufende Ausschüttungen der Familienstiftung an S der Schenkungsteuer?
6. Ist von der Familienstiftung alle 30 Jahre eine Ersatzerbschaftsteuer zu zahlen?
Antwort
1. Ja, es handelt sich um eine Familienstiftung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.
2. Ja, die Anteilsübertragung auf die Familienstiftung unterliegt der Schenkungsteuer.
3. Ja, die Schenkungsteuer kann nach § 28a ErbStG erlassen werden.
4. Ja, der Steuererlass steht gem. § 28a Abs. 4 ErbStG unter verschiedenen auflösenden Bedingungen.
5. Nein, laufende Ausschüttungen der Familienstiftung an S unterliegen nicht der Schenkungsteuer.
6. Ja, alle 30 Jahre fällt eine Ersatzerbschaftsteuer an.
Begründung
Familienstiftung
Zu 1: Eine Familienstiftung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG liegt vor, wenn nach der Satzung der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder bei Stiftungsauflösung anfallsberechtigt sind.1 Da nur der Sohn der Stifterin und nach seinem Tod seine Abkömmlinge als Begünstigte eingesetzt werden, sind die Voraussetzungen für eine Familienstiftung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfüllt.
Gründung ...
Zu 2: Die unentgeltliche Übertragung des Vermögens durch A auf die Familienstiftung im Rahmen der Erstausstattung gilt gem. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG als Schenkung unter Lebenden. Sie unterliegt somit der Schenkungsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Die Familienstiftung ist als Erwerberin (neben A als Schenkerin) Steuerschuldnerin (§ 20 Abs. 1 ErbStG). Eine Schenkung an den Sohn als Begünstigten liegt dagegen nicht vor.
... durch Steuerklassenprivileg begünstigt
Die Errichtung der Familienstiftung wird nicht nach der sonst im Verhältnis Stifterin/Stiftung geltenden ungünstigen Steuerklasse III besteuert, sondern ist über das sog. Steuerklassenprivileg begünstigt. Für das bei der Errichtung der Stiftung (Erstausstattung) übertragene Vermögen sind der Freibetrag und die Steuerklasse nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zur Stifterin zugrunde zu legen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Da es sich bei den vorgesehenen Begünstigten ausschließlich um Abkömmlinge der Stifterin A in gerader Linie handelt, ist die Steuerklasse I mit Steuersätzen zwischen 7 % und 30 % einschlägig. Der Freibetrag i.H.v. 400.000 € ist anwendbar, weil zunächst nur der Sohn bezugsberechtigt ist.3 Wären dagegen bereits zu Lebzeiten des Sohnes auch die Enkelkinder bezugsberechtigt, würde nur der Freibetrag von 200.000 € greifen.
Kein Verschonungsabschlag wegen Überschreitung des Grenzwerts
Für das übertragene begünstigte Betriebsvermögen kann unter weiteren Voraussetzungen zwar grundsätzlich ein Verschonungsabschlag von 85 % (sog. Regelverschonung) oder - unter noch strengeren Voraussetzungen - sogar von 100 % (sog. Optionsverschonung) in Anspruch genommen werden (§ 13a ErbStG). Bei einem Wert des begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. Euro je Erwerber (sog. Großerwerb) reduziert sich der Verschonungsabschlag jedoch (sog. Abschmelzmodell) und ab einem Wert von 90 Mio. Euro wird der Verschonungsabschlag nicht mehr gewährt (§ 13c Abs. 1 ErbStG). Bei einem Wert des Kommanditanteils an der A‑GmbH & Co. KG von 100 Mio. Euro (s. oben) fällt der Verschonungsabschlag somit weg und die Schenkungsteuer beläuft sich - unter Vernachlässigung des im Verhältnis zum Gesamtvermögen vergleichsweise geringen Freibetrags - auf 30 Mio. Euro (= 100 Mio. Euro × 30 %). Insoweit ergibt sich zunächst die gleiche Schenkungsteuer wie bei einer Schenkung des Kommanditanteils an S (s. aber unten "Zu 3").
Anmerkung
Spätere Zuwendungen an die Familienstiftung unterliegen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer. In diesen Fällen findet stets die ungünstigere Steuerklasse III mit Steuersätzen zwischen 30 % und 50 % Anwendung. Daher sollte bei der Gestaltung darauf geachtet werden, dass nicht erst die Familienstiftung errichtet und das Vermögen zu einem späteren Zeitpunkt auf die Familienstiftung übertragen wird, sondern die Vermögensübertragung - wie im Sachverhalt - möglichst bei Errichtung der Familienstiftung zur Erstausstattung erfolgt.
Verschonungsbedarfsprüfung ...
Zu 3: Bei einem Großerwerb über 26 Mio. Euro kann der Erwerber nach § 28a ErbStG einen Steuererlass beantragen, soweit er die Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht aus seinem eigenen verfügbaren Vermögen begleichen kann (sog. Verschonungsbedarfsprüfung). Zum verfügbaren Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG gehört das gesamte nicht begünstigte Vermögen, welches der Erwerber zeitgleich mit dem begünstigten Vermögen erhält oder ihm bereits gehört. Dieses sonstige Vermögen wird zu 50 % zur Begleichung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer herangezogen.
... führt zu Steuererlass ...
Für die Übertragung des Kommanditanteils von A auf die Familienstiftung kann die Schenkungsteuer von 30 Mio. Euro auf Antrag vollständig erlassen werden, weil das Unternehmensvermögen in vollem Umfang erbschaftsteuerlich nach § 13b Abs. 2 ErbStG begünstigt ist (also kein sog. verfügbares Vermögen in Form von steuerpflichtigem Verwaltungsvermögen enthält) und der Familienstiftung kein weiteres nicht begünstigtes Vermögen gehört (z.B. Wertpapiere). Die Familienstiftung kann das Unternehmensvermögen unter Inanspruchnahme der Verschonungsbedarfsprüfung somit vollständig steuerfrei erwerben.
Hätte A den Kommanditanteil dagegen direkt ihrem Sohn geschenkt, wäre der Steuererlass nicht oder zumindest nicht in gleicher Höhe möglich gewesen, weil S laut Sachverhalt über umfangreiches Eigenvermögen verfügt.
Durch die Vermögensübertragung auf die Familienstiftung ergibt sich also eine Steuerersparnis von bis zu 30 Mio. Euro.
... unter auflösenden Bedingungen
Zu 4: Der Steuererlass steht gem. § 28a Abs. 4 ErbStG allerdings unter verschiedenen auflösenden Bedingungen. So entfällt der Steuererlass ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn z.B.
- die Lohnsummen der A‑GmbH & Co. KG innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung insgesamt eine bestimmte Mindestlohnsumme unterschreiten (§ 28a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG),
- die Familienstiftung innerhalb von sieben Jahren gegen bestimmte Behaltensbedingungen verstößt (z.B. Veräußerung des Kommanditanteils oder wesentlicher Betriebsgrundlagen),
- die Familienstiftung innerhalb von zehn Jahren nach der Übertragung weiteres Vermögen durch Schenkung oder von Todes wegen erhält, das verfügbares Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG darstellt (also z.B. Privatvermögen in Gestalt von Wertpapieren), § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG.
Ausschüttungen nicht erbschaft- aber einkommensteuerpflichtig
Zu 5: Leistet die Familienstiftung aus ihren Erträgen satzungskonforme Ausschüttungen an S, handelt es sich nicht um freigebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die erhaltenen Ausschüttungen sind aber bei S einkommensteuerpflichtig. Sie gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG regelmäßig zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn die Stellung des Begünstigten wirtschaftlich betrachtet mit derjenigen eines Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft vergleichbar ist.
Ersatzerbschaftsteuer
Zu 6: Damit das in einer Familienstiftung gebundene Vermögen nicht über Generationen hinweg der Erbschaft- und Schenkungsteuer entzogen wird, unterliegt die Familienstiftung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG alle 30 Jahre der Ersatzerbschaftsteuer.9 Da dabei ein Vermögensübergang auf zwei Kinder fingiert wird, wird der doppelte Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, also 800.000 €, gewährt. Die Ersatzerbschaftsteuer ist nach dem Prozentsatz der Steuerklasse I zu berechnen, der für die Hälfte des steuerpflichtigen Vermögens gelten würde (§ 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Die Begünstigungsregeln der §§ 13a, 13b, 13c und 28a ErbStG greifen auch hier.10 Dies gilt somit grundsätzlich auch für die Verschonungsbedarfsprüfung.
Fazit
Durch die Übertragung des Unternehmensvermögens im Wert von 100 Mio. Euro im Rahmen der Erstausstattung auf die neu errichtete Familienstiftung lässt sich unter Inanspruchnahme der sog. Verschonungsbedarfsprüfung im Optimalfall eine Schenkungsteuerersparnis i.H.v. bis zu 30 Mio. Euro erreichen. Allerdings unterliegt die Familienstiftung mit ihrem Vermögen wie bei einem Generationswechsel alle 30 Jahre der Ersatzerbschaftsteuer. Ob tatsächlich Ersatzerbschaftsteuer anfällt, hängt von den dann geltenden steuerlichen Begünstigungen ab.
Neben dem Steuervorteil von bis zu 30 Mio. Euro ist aber auch zu bedenken, dass das Vermögen in der Familienstiftung grundsätzlich dauerhaft gebunden ist und damit weitere vielfältige rechtliche und steuerliche Konsequenzen einhergehen.
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