11.09.2013

Zum Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung

Steht der Änderung eines Umsatzsteuerbescheids wegen der Rechtsprechungsänderung zum Vorsteuerabzug bei unrichtigem Steuerausweis durch das BFH-Urteil v. 2.4.1998 (Az.: V R 34/97) § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegen, ist der Steuerpflichtige so zu behandeln, wie er ohne die Rechtsprechungsänderung gestanden hätte. Berichtigt der Leistende seine Rechnung, ist der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zu berichtigen, wenn im Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung die Änderung des Umsatzsteuerbescheids möglich gewesen wäre. Der Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung ist insoweit unmaßgeblich.

BFH 25.4.2013, V R 2/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine KG. Sie bezog in den Jahren 1993 bis 1997 von der T-GmbH Zeitschriften, denen CDs beigefügt waren. Die T-GmbH erteilte Rechnungen unter Anwendung des Regelsteuersatzes. Die Klägerin nahm den Vorsteuerabzug in Anspruch. Im Anschluss an eine bei der T-GmbH durchgeführte Außenprüfung ging die Finanzbehörde davon aus, dass die Lieferungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage Nr. 49 dem ermäßigten Steuersatz unterlagen. Im September 2004 berichtigte die T-GmbH daher die der Klägerin erteilten Rechnungen.

Aufgrund dieser Rechnungsberichtigung ging das Finanzamt davon aus, dass der Vorsteuerabzug bei der Klägerin nach § 17 UStG für das Jahr der Rechnungskorrektur zu berichtigen sei, und änderte im November 2009 den für das Streitjahr 2004 ergangenen Umsatzsteuerbescheid gem. § 164 AO. Eine Änderung der Vorsteuerbeträge in den Jahren des Leistungsbezugs 1993 bis 1997 erfolgte nicht.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die im Streitjahr 2004 erfolgte Rechnungskorrektur erfordert für dieses Jahr eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 14c Abs. 1 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG, wenn der Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 1993 bis 1997 ausschließlich die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegenstand. Das FG ging zwar zu Recht davon aus, dass sich die Frage der Gewährung von Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nur dann stellt, wenn Steuerbescheide noch änderbar sind. Das ist nicht der Fall, wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist und deshalb eine Änderung - selbst wenn die Voraussetzungen einer Korrekturbefugnis nach §§ 172 ff. AO erfüllt sind - nicht mehr zulässig ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Beurteilung war jedoch - entgegen der Rechtsauffassung des FG - der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Urteils, durch das sich die Rechtsprechung ändert (im Streitfall das Jahr 1998).

Dem Leistungsempfänger ist Vertrauensschutz vor einem Verlust des Vorsteuerabzugs aus einem unrichtigen Steuerausweis entsprechend dem Senatsurteil BFH-Urteil v. 2.4.1998 (Az.: V R 34/97), unabhängig von einer Rechnungsberichtigung durch den Leistenden, zu gewähren. Auch die Frage der Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus einer derartigen Rechnung ist unabhängig von einer späteren Rechnungsberichtigung zu prüfen. Entscheidend war daher im Streitfall, ob für den Fall einer unmittelbar im Anschluss an die Veröffentlichung des BFH-Urteils v. 2.4.1998 -z.B. aufgrund einer noch in 1998 erfolgten Prüfung durch das Finanzamt - die Umsatzsteuerbescheide für 1993 bis 1997 hätten geändert werden dürfen und die Finanzbehörde an einer Änderung allein durch die Vertrauensschutzregelung nach § 176 AO gehindert gewesen wäre. Dass sich im Streitfall die Frage nach dem Vertrauensschutz für die Jahre 1993 bis 1997 erst aufgrund der Rechnungsberichtigung durch den Leistenden gestellt hatte, spielte dagegen keine Rolle.

Das FG war von anderen Grundsätzen ausgegangen; das Urteil war daher aufzuheben. Im Streitfall war im Zeitpunkt der Veröffentlichung des BFH-Urteils (August 1998) - entgegen der Auffassung des FG - noch für keines der Jahre der Rechnungserteilung (1993 bis 1997) die reguläre Festsetzungsfrist abgelaufen. Die Sache ist allerdings noch nicht spruchreif. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs kommt im Streitjahr 2004 nur in Betracht, wenn der Klägerin im Hinblick auf den von ihr in den Jahren 1993 bis 1997 in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zu gewähren war. Hierzu müssen im zweiten Rechtsgang noch weitere Feststellungen getroffen werden.

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