12.06.2025

Registergericht: Keine Aufnahme einer vom Notar eingereichten Gesellschafterliste bei sicherer Kenntnis ihrer Fehlerhaftigkeit

Der Ausschließungsgrund des § 6 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG liegt auch dann vor, wenn ein Dritter an der Beurkundung beteiligt ist, der von der Ehefrau des Notars als alleinige Geschäftsführerin einer GmbH in deren Namen bevollmächtigt wird, die GmbH bei der Beurkundung von Willenserklärungen zu vertreten. Das Registergericht kann die Aufnahme einer vom Notar eingereichten Gesellschafterliste ablehnen, wenn es ohne weitere Ermittlungen sichere Kenntnis davon gewinnt, dass die mit ihr bescheinigte Änderung in den Personen der Gesellschafter nicht stattgefunden hat. Eine sichere Kenntnis liegt nur vor, wenn diese in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht offensichtlich keinem Zweifel unterliegt.

BGH v. 18.3.2025 - II ZB 11/24
Der Sachverhalt:
Alleinige Gesellschafterin der antragstellenden GmbH war die A. GmbH. Deren einzige, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführerin war J.D. Diese war zugleich Geschäftsführerin der Antragstellerin.

Der Ehegatte von J.D. beurkundete am 27.3.2023 einen den Geschäftsanteil der A. GmbH betreffenden Kauf- und Abtretungsvertrag sowie eine Gesellschafterversammlung der Antragstellerin, in der Änderungen der Satzung beschlossen, die Geschäftsführerin J.D. mit sofortiger Wirkung abberufen und K. zum neuen Geschäftsführer bestellt wurden. Für die A. GmbH trat B.D. auf, der Neffe des beurkundenden Notars, dem J.D. als Geschäftsführerin der A. GmbH Vollmacht erteilt hatte, diese bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen an der Antragstellerin sowie der Ausübung der Stimmrechte aus Geschäftsanteilen der Antragstellerin zu vertreten.

Mit Anmeldung vom 27.3.2023 meldete K. neben seiner Neubestellung als Geschäftsführer und der Abberufung der bisherigen Geschäftsführerin J.D. die Änderungen der Satzung zur Eintragung in das Handelsregister an. Der beurkundende Notar reichte eine neue Gesellschafterliste vom 27.3.2023 ein.

Das AG - Registergericht - wies die Anmeldung zurück und lehnte den Antrag auf Freigabe der Gesellschafterliste ab. Das OLG wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beurkundung des Kauf- und Abtretungsvertrags betreffend den einzigen Geschäftsanteil der Antragstellerin gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG unwirksam ist. Der Ausschließungsgrund des § 6 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG liegt auch dann vor, wenn ein Dritter an der Beurkundung beteiligt ist, der von der Ehefrau des Notars als alleinige Geschäftsführerin einer GmbH in deren Namen bevollmächtigt wird, die GmbH bei der Beurkundung von Willenserklärungen zu vertreten.

Ob § 6 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG auch dann Anwendung findet, wenn der Notar oder eine andere in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BeurkG bezeichnete Person Bevollmächtigter oder gesetzlicher Vertreter ist und einem Dritten (Unter-)Vollmacht erteilt, im Namen des Vertretenen zu handeln, wird unterschiedlich beurteilt. Unter Hinweis auf den Schutzzweck von § 6 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG wird dies teilweise angenommen. Eine Gegenansicht lehnt dies unter Hinweis darauf ab, dass § 6 Abs. 2 BeurkG nur auf den formell Beteiligten abstelle und der Gesetzgeber die Unwirksamkeit der Urkunde im Interesse der Rechtssicherheit bewusst auf Fälle beschränkt habe, in denen sich ihr Grund aus der Urkunde selbst ergebe. Der Senat schließt sich für die hier vorliegende Fallgestaltung, in der der an der Beurkundung Beteiligte von der Ehegattin des Notars als alleinige Geschäftsführerin einer GmbH bevollmächtigt wird, der zuerst genannten Ansicht an.

Danach hat das OLG die Anmeldung vom 27.3.2023 rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die Unwirksamkeit der Beurkundung hat die Nichtigkeit der Amtshandlung zur Folge, so dass der Kauf- und Abtretungsvertrag nicht der notariellen Form gem. § 15 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 GmbHG entspricht und nach § 125 Satz 1 BGB nichtig ist. Die Beschlüsse über die Satzungsänderungen in Teil B. der Urkunde genügen nicht der in § 53 Abs. 3 Satz 1 GmbHG vorgesehenen Form der notariellen Beurkundung und sind entsprechend § 241 Nr. 2 AktG nichtig. Die Beurkundung ist auch insoweit unwirksam. Zwar handelt es sich nicht um die Beurkundung von Willenserklärungen. Wurden, wie im vorliegenden Fall, aber neben der Beurkundung von Versammlungsbeschlüssen auch rechtsgeschäftliche Erklärungen beurkundet, unterliegt die Beurkundung insgesamt den Formvorschriften für Willenserklärungen, so dass sich die Unwirksamkeitsfolge gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG auf die gesamte Beurkundung erstreckt.

Die Aufnahme der Gesellschafterliste vom 27.3.2023 in den Registerordner hat das OLG nur im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Das Registergericht kann die Aufnahme einer vom Notar gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eingereichten Gesellschafterliste nach § 9 Abs. 1 HRV ablehnen, wenn es ohne weitere Ermittlungen sichere Kenntnis davon gewinnt, dass die mit ihr bescheinigte Änderung in den Personen der Gesellschafter nicht stattgefunden hat. Eine sichere Kenntnis liegt nur vor, wenn diese in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht offensichtlich keinem Zweifel unterliegt. Grundlage der Prüfungsbefugnis des Registergerichts ist die aus seiner Rechtsbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Pflicht, im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben darauf hinzuwirken, dass die von der Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner Betroffenen nicht in ihren Rechten verletzt werden. Dieser Rechtsbindung widerspräche es, wenn das Registergericht sehenden Auges eine inhaltlich unzutreffende Gesellschafterliste in den Registerordner aufnehmen und hierdurch die Rechtsstellung des wahren Berechtigten beeinträchtigen müsste.

Das OLG hat die Aufnahme der Gesellschafterliste hiervon ausgehend zu Unrecht abgelehnt. Ein Ausschließungsgrund des beurkundenden Notars gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BeurkG ließ sich im vorliegenden Fall nicht eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten und es hat an einer zweifelsfrei geklärten Rechtslage gefehlt. Dies hat das OLG selbst durch die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zum Ausdruck gebracht. Entgegen der Sicht des OLG kommt es für den offensichtlichen Mangel der Gesellschafterliste nicht darauf an, dass es selbst von ihm überzeugt ist. Nachdem die Unwirksamkeit der Beurkundung allerdings im Rechtsbeschwerdeverfahren festgestellt wurde, steht fest, dass die mit der Gesellschafterliste vom 27.3.2023 mitgeteilte Veränderung in den Personen der Gesellschafter nicht eingetreten ist. Die Aufnahme der Liste in den Registerordner kann nach dieser Klärung nicht mehr erfolgen.

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13. Aufl./Lfg. 04.2024

Rechtsprechung (die vorliegende Entscheidung)
Ablehnung der Aufnahme einer vom Notar eingereichten Gesellschafterliste durch Registergericht bei sicherer Kenntnis ihrer Fehlerhaftigkeit
BGH vom 18.03.2025 - II ZB 11/24
ZIP 2025, 1464
ZIP0079906

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