Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag
BGH v. 20.5.2025 - XI ZR 22/24Die Parteien streiten um die Rückerstattung einer vom Kläger geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung. Die Parteien schlossen am 5.8.2016 einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag i.H.v. rd. 135.000 €. Sie vereinbarten einen bis zum 30.9.2026 gebundenen Sollzinssatz i.H.v. 1,4% p.a., zahlbar in 370 Monatsraten ab dem 30.10.2016 zu je rd. 450 €. Der Darlehensvertrag sieht für den Zeitraum der Sollzinsbindung ein jährliches, nicht auf Folgejahre übertragbares Sondertilgungsrecht von bis zu 6.500 € vor. Zur Vorfälligkeitsentschädigung heißt es unter Ziffer 10 des Darlehensvertrags:
"10.1 Vorzeitige Rückzahlung
Der Darlehensnehmer kann seine Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen. Abweichend hiervon kann der Darlehensnehmer im Zeitraum einer Sollzinsbindung nur dann vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht. Im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung während der Sollzinsbindung kann die Sparkasse eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen.
10.2 Vorfälligkeitsentschädigung
Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung (Ablösungsentschädigung) durch die Sparkasse erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dies ist derzeit die sog. "Aktiv/Passiv-Methode". Durch diese Berechnungsmethode wird die Sparkasse so gestellt, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre.
Für die Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung wird von einer Anlage der vorzeitig zurückgezahlten Darlehensmittel in sichere Kapitalmarkttitel (Pfandbriefrenditen der Deutschen Bundesbank) ausgegangen. Zunächst wird der Betrag ermittelt, der zum Ablösestichtag erforderlich ist, um sämtliche ursprünglich vereinbarten Zahlungen aus dem Kreditvertrag (Zinsen, Tilgung) sowie das rechnerische Restkapital am Ende der Zinsfestschreibung zu erzielen. Die anfallenden Zinsen sind in diese Berechnung einbezogen. Zusätzlich wird das auf den restlichen Zinsbindungszeitraum entfallende und somit - auf Basis des effektiven Jahreszinses - zu erstattende Disagio in die Berechnung einbezogen, sofern ein Disagio vereinbart wurde. Die Sparkasse ermittelt ferner die zukünftig entfallenden Risiko- und Verwaltungskosten und reduziert die Vorfälligkeitsentschädigung entsprechend. Durch die vorzeitige Ablösung des Darlehens entsteht ein lnstitutsaufwand, der Ihnen in Rechnung gestellt wird.
Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wird zusätzlich von Folgendem ausgegangen:
- Berücksichtigung der sich durch die Tilgung verringernden Darlehensschuld;
- Schadensmindernde Berücksichtigung vereinbarter Sondertilgungsrechte;
- Abzinsung der ermittelten Schadensbeträge auf den Rückzahlungszeitpunkt.
Sofern der Darlehensnehmer der Sparkasse die Absicht mitteilt, das Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen, übermittelt die Sparkasse dem Darlehensnehmer in Textform unverzüglich Informationen zur Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung, im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrags und gegebenenfalls die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung."
Für die auf Wunsch des Klägers erfolgte vorzeitige Darlehensrückzahlung stellte ihm die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. rd. 7.600 € und als sog. Institutsaufwand einen Betrag i.H.v. 150 € in Rechnung. Der Kläger zahlte beide Beträge unter Vorbehalt und forderte sie mit Schreiben vom 21.1.2022 ohne Erfolg zurück. Mit der Klage verlangt der Kläger die Zahlung von 7.750 € nebst Verzugszinsen und die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 800 € nebst Prozesszinsen.
Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ganz überwiegend ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und wies die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG zurück.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Entgegen der Auffassung des OLG war ein Anspruch der Beklagten auf die Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, so dass der Kläger diese ohne rechtlichen Grund gezahlt hat. Aufgrund dessen hat das LG der Klage zu Recht stattgegeben.
In einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag muss der Darlehensnehmer gem. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB klar und verständlich über die Voraussetzungen und die Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung informiert werden. Ist die Information über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend, ist gem. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen. Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt es nach ständiger Senatsrechtsprechung, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt. Die Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel ist nicht erforderlich. Fehlende oder fehlerhafte Angaben zur Berechnung führen zum Anspruchsausschluss. Abzustellen ist auf einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher.
Nach diesen Maßgaben erläutert die streitgegenständliche Klausel die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nur unzureichend i.S.d. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das OLG ist noch zutreffend davon ausgegangen, dass eine Bank den Schaden, der ihr durch die Nichtabnahme oder durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, sowohl nach der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen kann. Bei der von der Beklagten gewählten Aktiv-Passiv-Methode stellt sich der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers als Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei vereinbarungsgemäßer Durchführung des Darlehensvertrags tatsächlich gezahlt hätte, und der Rendite dar, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergibt. Der Differenzbetrag ist um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und auf den Zeitpunkt der Leistung der Vorfälligkeitsentschädigung abzuzinsen.
Darüber informiert Ziffer 10.2 des Darlehensvertrags entgegen der Auffassung des OLG nur unzureichend. Im Rahmen der Schadensberechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode ist die vorbeschriebene Differenzrechnung ein wesentlicher, in groben Zügen zu benennender Parameter, ohne den die Methode der Berechnung nicht nachvollziehbar ist. Daran fehlt es hier. Ziffer 10.1 des Darlehensvertrags formuliert zwar in Anlehnung an § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB zutreffend, dass "eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden" zu entrichten ist. Damit wird jedoch nur abstrakt das Ergebnis vorangestellt, das mit der nachfolgend in Ziffer 10.2 des Darlehensvertrags beschriebenen Berechnungsmethode erzielt werden soll. Die Vornahme einer - näher ausgestalteten - Differenzrechnung lässt sich dem nicht entnehmen.
Mit der Formulierung in Ziffer 10.2 Abs. 2 des Darlehensvertrags, dass von einer Anlage der vorzeitig zurückgezahlten Darlehensmittel in sichere Kapitalmarkttitel ausgegangen werde, wird die renditebringende Verwendung der vorzeitig zurückgezahlten Darlehensmittel durch die Beklagte beschrieben. Im Anschluss daran heißt es, dass die Beklagte den ihr bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung zustehenden Betrag ermittelt, der sich aus Tilgungs- und Zinszahlungen sowie dem Restkapital am Ende der Zinsfestschreibung zusammensetzt. Damit wird indes nicht erläutert, wie dieser vom Darlehensnehmer grundsätzlich zurückzuzahlende Betrag zur Verwendung der vorzeitig zurückgezahlten Darlehensmittel in Beziehung gesetzt wird. Vielmehr kann der Verbraucher diese Angabe auch dahin verstehen, dass damit die vertragsgemäß zu leistenden Zins- und Tilgungsleistungen auf den Ablösezeitpunkt abgezinst werden. Dass der finanzielle Nachteil im Ausgangspunkt in der Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite der am Kapitalmarkt erworbenen Papiere mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht, liegt, wird durch Ziffer 10.2 des Darlehensvertrags dagegen nicht hinreichend klar.
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