27.02.2020

Fack Ju Göhte: Deutschsprachige Öffentlichkeit nimmt Filmtitel nicht als moralisch verwerflich wahr

Das EUIPO muss erneut über das von Constantin Film als Unionsmarke angemeldete Zeichen "Fack Ju Göhte" entscheiden. Das EUIPO und das Gericht, die das Zeichen für sittenwidrig hielten, haben nicht hinreichend berücksichtigt, dass dieser Titel einer Filmkomödie von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit offenbar nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde.

EuGH v. 27.2.2020 - C-240/18 P
Der Sachverhalt:
Die von der Klägerin, der Constantin Film Produktion GmbH, produzierte deutsche Filmkomödie "Fack Ju Göhte" aus dem Jahr 2013 wurde in Deutschland von knapp 7,4 Mio. Zuschauern gesehen. Sie zählt mit ihren Fortsetzungen "Fack Ju Göhte 2" und "Fack Ju Göhte 3" aus den Jahren 2015 und 2017 zu den erfolgreichsten deutschen Kinofilmen. Auch in Österreich war der Film sehr erfolgreich. Im Jahr 2015 meldete die Klägerin beim beklagten Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen "Fack Ju Göhte" für verschiedene Waren und Dienstleistungen als Unionsmarke an, u.a. für Kosmetikartikel, Schmuck, Schreibwaren, Reise- und Sportartikel, Spiele, Lebensmittel und Getränke.

Das EUIPO lehnte es ab, dem Zeichen Markenschutz zu gewähren, weil es gegen die guten Sitten verstoße. Nach Auffassung des EUIPO erkennen die deutschsprachigen Verkehrskreise in den Wörtern "Fack Ju" den (lautschriftlich ins Deutsche übertragenen) vulgären und anstößigen englischen Ausdruck "Fuck you". Durch die Hinzufügung des Elements "Göhte" (mit dem der Name des deutschen Dichters Goethe lautschriftlich übertragen werde) könne die Wahrnehmung der Beleidigung "Fack Ju" nicht wesentlich abgeändert werden.

Das EuG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Rechtsmittel der Klägerin hob der EuGH das Urteil des EuG und die Entscheidung des EUIPO, die weitgehend dieselben Fehler enthalten, auf. Das EUIPO hat somit erneut über die Markenanmeldung der Klägerin zu entscheiden.

Die Gründe:
Das EuG und EUIPO haben nicht hinreichend berücksichtigt, dass verschiedene Begleitumstände übereinstimmend darauf hinweisen, dass der Titel der in Rede stehenden Filmkomödien trotz der Gleichsetzung der Wörter "Fack Ju" mit dem englischen Ausdruck "Fuck you" von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde.

Trotz der mit dem großen Erfolg dieser Filmkomödien einhergehenden großen Sichtbarkeit ihres Titels hat dieser offenbar nicht zu einem Meinungsstreit bei diesem Publikum geführt. Im Übrigen wurden zu den Filmkomödien mit diesem Titel, die im schulischen Umfeld spielen, jugendliche Zuschauer zugelassen. Darüber hinaus haben diese Filme Fördermittel verschiedener Organisationen erhalten und wurden überdies vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken verwendet.

Die Wahrnehmung des englischen Ausdrucks "Fuck you" durch das deutschsprachige Publikum ist, obwohl er diesem bekannt ist und es seine Bedeutung kennt, nicht zwangsläufig dieselbe wie die eines englischsprachigen Publikums. In der Muttersprache könne die Empfindlichkeit nämlich wesentlich stärker als in einer Fremdsprache sein. Aus dem gleichen Grund nehme das deutschsprachige Publikum diesen englischen Ausdruck auch nicht zwangsläufig ebenso wahr, wie es dessen deutsche Übersetzung wahrnehmen würde. Darüber hinaus bestehen der Titel der fraglichen Komödien und damit die angemeldete Marke nicht aus diesem englischen Ausdruck als solchem, sondern aus dessen lautschriftlicher Übertragung ins Deutsche, ergänzt um das Element "Göhte".

Es wurde kein konkreter Aspekt vorgetragen wurde, um plausibel zu erklären, weshalb das allgemeine deutschsprachige Publikum das Wortzeichen "Fack Ju Göhte" als Verstoß gegen grundlegende moralische Werte und Normen der Gesellschaft wahrnähme, wenn es als Marke verwendet würde, obwohl dasselbe Publikum den Titel der gleichnamigen Komödien offenbar nicht für sittenwidrig hielt. Demzufolge hat das EUIPO nicht rechtlich hinreichend dargetan, dass die angemeldete Marke nicht eingetragen werden kann.
EuGH PM Nr. 17 vom 27.2.2020
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