20.05.2025

Regelwerke der Sportverbände: Schranken durch unionsrechtliche Wettbewerbsregeln

Wenn sich Sportverbände eigene Regelwerke geben, unterliegen sie Schranken, falls die Auswirkung der Regelungen auf vom Unionsrecht geregelte Bereiche erheblich ist, meint Generalanwalt Emiliou in seinen Schlussanträgen zu drei einschlägigen Rechtssachen. Diese Einschränkung lasse die Vereinigungsfreiheit unberührt.

EuGH, C-209/23 u.a.: Schlussanträge des Generalanwalts v. 15.5.2025
Der Gerichtshof hat sich bereits mehrfach vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln und/oder des Binnenmarkts der Union mit bestimmten Regelungen befasst, die von nationalen oder internationalen Sportverbänden erlassen wurden. Die drei vorliegenden Rechtssachen schließen sich an diese Rechtsprechung an.

In der Rechtssache C-209/23 (RRC Sports) wenden sich zwei Fußballspieler-Vermittler gegen die Anwendung bestimmter Regelungen, die in einem von einem internationalen Sportverband erlassenen Regelwerk enthalten sind und die u. a. die Vergütung, die Tätigkeiten und das Verhalten dieser Vermittler betreffen. Die Vermittler machen geltend, dass diese Regelungen gegen die Dienstleistungsfreiheit, die Wettbewerbsregeln der Union und bestimmte Datenschutzbestimmungen verstießen. Die FIFA ist der Ansicht, dass die fraglichen Regelungen sowohl rechtmäßig als auch für die Integrität des Fußballs erforderlich seien.

In der Rechtssache C-428/23 (ROGON u.a.) wirft der Bundesgerichtshof (Deutschland) in einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit verschiedene Fragen auf. Zwei Unternehmen, die gegenüber Fußballspielern Beratungs- und Vertretungsdienstleistungen erbringen, und der Geschäftsführer eines dieser Unternehmen wenden sich gegen die die Tätigkeit der Fußballspieler-Vermittler betreffenden Regelungen eines nationalen Sportverbands, die angeblich irreparable Schäden verursachten.

In der Rechtssache C-133/24 (Tondela u.a.) trafen Fußballvereine, die in der ersten und der zweiten portugiesischen Liga spielten, während der Covid-19-Pandemie eine Vereinbarung mit dem nationalen Fußballverband. Die Vereine verpflichteten sich, von der Verpflichtung von Spielern abzusehen, die ihre Verträge aufgrund von Problemen im Zusammenhang mit der Pandemie gekündigt hatten.

Die vorliegenden Rechtssachen werfen weitere wichtige Fragen auf, die die Autonomie der nationalen und internationalen Sportverbände sowie den Umfang betreffen, in dem die von diesen Verbänden erlassenen Regelwerke die Unionsvorschriften in den Bereichen Wettbewerb, Binnenmarkt und Datenschutz beachten müssen.

Generalanwalt Nicholas Emiliou befasst sich in drei getrennten Schlussanträgen mit den verschiedenen Rechtsfragen, die sich aus diesen Rechtssachen ergeben.

Erstens spricht sich Generalanwalt Emiliou für eine enge Auslegung der "Sport-Ausnahme" aus, wonach spezifische Regelungen, die nur aus nichtwirtschaftlichen Gründen erlassen werden und sich auf Fragen beziehen, die ausschließlich den Sport betreffen, nicht in den Anwendungsbereich der Unionsvorschriften über den Wettbewerb und den Binnenmarkt fallen sollen. Diese Ausnahme sei lediglich die Ausprägung zweier fest verankerter Grundsätze des Unionsrechts, und zwar, erstens, dass die Bestimmungen der Union über den Wettbewerb und den freien Verkehr grundsätzlich auf wirtschaftliche Tätigkeiten und den Handel innerhalb der Union anwendbar seien, und zweitens, dass Regelwerke von Selbstverwaltungsorganen, die sich auf diese wirtschaftlichen Tätigkeiten und/oder den Handel innerhalb der Union auswirkten, möglicherweise dann nicht in den Anwendungsbereich dieser Unionsvorschriften fielen, wenn diese Wirkung geringfügig sei.

Generalanwalt Emiliou schlägt dem Gerichtshof sodann vor, festzustellen, dass das Unionsrecht es Sportverbänden erlaube, Regelungen über die Tätigkeit von Wirtschaftsteilnehmern zu erlassen, die (wie Fußballspieler-Vermittler) auf einem Markt tätig seien, der den Märkten, auf denen der Verband oder seine Mitglieder tätig seien, vor- oder nachgelagert sei. Während solche Regelungen zwar grundsätzlich zulässig seien, bedürften sie einer Rechtfertigung, wenn davon auszugehen sein sollte, dass sie erhebliche wettbewerbswidrige Auswirkungen hätten. Eine derartige Rechtfertigung komme in Betracht, wenn festgestellt werde, dass die fraglichen Regelungen dem Gemeinwohl dienende Ziele verfolgten und sich als verhältnismäßig und wirksam erwiesen (Meca-Medina-Rechtsprechung). Als Alternative hierzu komme als Rechtfertigung in Betracht, dass die Regelungen die Voraussetzungen für eine Freistellung nach dem AEU-Vertrag erfüllten. Sodann prüft der Generalanwalt die fraglichen Regelungen im Hinblick auf die Vorschriften über den freien Verkehr und erläutert die Voraussetzungen, unter denen sie als mit diesen Vorschriften vereinbar angesehen werden könnten.

Außerdem prüft der Generalanwalt die Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen und ist der Ansicht, dass "No-poach-Abreden" (Abwerbeverbote) im Allgemeinen "bezweckte" Wettbewerbsbeschränkungen seien. In Anbetracht ihres spezifischen Ziels und ihres begrenzten Umfangs sowie der außergewöhnlichen Umstände, unter denen sie geschlossen worden sei (die Covid-19- Pandemie), sei die in Rede stehende Abrede indessen keine "bezweckte" Beschränkung und könne wahrscheinlich gerechtfertigt werden.

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