17.11.2025

Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Bewerbung einer Matratze als "orthopädisch"

Eine Bewerbung einer Matratze als "orthopädisch" kann bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher den - irreführenden - Eindruck erwecken, diese sei generell, ohne individuelle Anpassung geeignet, eine gesundheitsfördernde Wirkung zu erzielen, also Erkrankungen des menschlichen Stütz- und Bewegungsapparats vorzubeugen oder zu lindern.

OLG Köln v. 5.9.2025 - 6 W 53/25
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Bewerbung einer Matratze. Die Antragstellerin meint, dass die Bewerbung der Matratzen als "orthopädisch" mit §§ 5, 5a UWG und § 3a UWG, § 3 Nr. 1 HWG unvereinbar sei. Die Antragsgegnerin rügt die örtliche Unzuständigkeit des LG Köln.

Das LG Köln hat den Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, Matratzen als "orthopädisch" zu bewerben, mangels örtlicher Zuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen. Die örtliche Zuständigkeit des LG Köln ergebe sich nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG. Da die beanstandete Bezeichnung der Matratzen im Online-Handel erfolgt sei, gelte gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG nicht die Zuständigkeit des Ortes der Zuwiderhandlung. Für eine einschränkende Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 3 UWG sei angesichts des unmissverständlichen Wortlauts, der systematischen Stellung der Regelung im Gesetz und der gegen ein Redaktionsversehen sprechenden Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 3 UWG im Jahr 2024 (Austausch des Begriffs "Telemedien" durch "digitalen Dienste nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes") kein Raum mehr.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hatte Erfolg.

Die Gründe:
Das LG Köln war gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG für die Entscheidung örtlich zuständig. Entgegen der Annahme der Kammer für Handelssachen fällt der hier zu entscheidende Rechtsstreit nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG.

§ 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bedarf einer einschränkenden Auslegung, wobei im konkreten Fall offen bleiben kann, ob lediglich solche Verstöße der Einschränkung des § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG unterfallen, bei denen sich ein besonderes Missbrauchspotential feststellen lässt, oder § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG wie § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG nur auf im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangene Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten anzuwenden ist.

Der Verfügungsgrund wird gemäß § 12 Abs. 1 UWG vermutet. Der Verfügungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1 UWG. Danach kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr von den nach § 8 Abs. 3 UWG Berechtigten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Im Streitfall ist jedenfalls der Unlauterkeitstatbestand der Irreführung nach § 5 UWG erfüllt. Ob darüber hinaus auch der Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG i.V.m. dem Irreführungsverbot des § 3 HWG greift, kann dahinstehen.

Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG u.a. dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware wie Vorteile und von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse enthält.

Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher wird durch die Bezeichnung "R.Matratzen" den Eindruck gewinnen, diese sei für Seitenschläfer generell, ohne individuelle Anpassung geeignet, im Bereich der Orthopädie - dem medizinischen Fachgebiet, das sich mit angeborenen oder erworbenen Fehlern des menschlichen Bewegungsapparates befasst - eine gesundheitsfördernde Wirkung zu erzielen, also Erkrankungen des menschlichen Stütz- und Bewegungsapparats vorzubeugen oder zu lindern. Die im nachfolgenden Werbetext beschriebenen Vorzüge der Matratze (z.B.

"Vorbei die Zeit der Kompromisse mit viel zu weicher oder viel zu fester Matratze um Schulter oder LWS-Bereich zu entlasten. Diese Matratze schafft endlich beides: Perfekte Anpassung, Nachgiebigkeit und Druckentlastung im Schulterbereich. Hervorragende Unterstützung im unteren Rücken und LWS-Bereich",

stehen dieser mit dem Begriff "Orthopädisch" gemäß dessen Wortsinn verbundenen Vorstellungen nicht entgegen. Die beschriebenen Eigenschaften werden vielmehr als Erklärung für die durch die Produktbezeichnung suggerierte positive orthopädische Wirkung verstanden (vgl. auch OLG Düsseldorf v. 14.4.2025 - 20 W 19/25).

Dass ihre Matratzen eine solche positive medizinische Wirkung hat, trägt die Antragsgegnerin selbst nicht vor.

Die irreführende Angabe bezüglich einer - besonders werbewirksamen - gesundheitsförderlichen Eigenschaft ist geeignet, die Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

Mehr zum Thema:

Link zum Volltext der Entscheidung

Beratermodul WuW - WIRTSCHAFT und WETTBEWERB
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt.

WIRTSCHAFT und WETTBEWERB ist eines der führenden deutschen Medien auf dem Gebiet des deutschen und europäischen Kartellrechts sowie der für die praktische Rechtsanwendung relevanten Wettbewerbsökonomie. 4 Wochen gratis nutzen!
Justiz NRW online