05.06.2025

Zollstreitigkeit EU-USA 2020: Hat die EU-Kommission das Recht von Zippo auf rechtliches Gehör verletzt?

Laut Generalanwältin Ćapeta hat die EU-Kommission im Zollstreit aus dem Jahr 2020 in der ersten Amtszeit von Donald Trump das Recht von Zippo auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Das Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta gelte nicht für ein Verfahren, das zu einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung führt.

EuGH, C-811/23 P: Schlussanträge der Generalanwältin v. 5.6.2025
In der ersten Amtszeit von Donald Trump führten die Vereinigten Staaten von Amerika Zölle auf mehrere Arten von Stahlerzeugnissen unterschiedlicher Herkunft ein, darunter aus der Europäischen Union. Die Europäische Union reagierte mit Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts für bestimmte Warenkategorien, die aus den USA eingeführt wurden. Eine dieser Warenkategorien war "andere Feuerzeuge und Anzünder", auf die ein zusätzlicher Einfuhrzoll von 20 % erhoben wurde.

Die Hersteller und Importeure des amerikanischen Feuerzeugs "Zippo", ein typisch amerikanisches Produkt, beanstandeten die Einführung dieser Zölle. Sie machten geltend, dass sie gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta das Recht hätten, vor der Einführung dieser Zölle von der Kommission gehört zu werden. Das Gericht folgte Zippos Argumentation und erklärte die Verordnung, mit der Gegenmaßnahmen für alle Waren der Kategorie "andere Feuerzeuge und Anzünder" verhängt wurden, für nichtig. Die Kommission hat gegen dieses Urteil beim Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt.

In ihren Schlussanträgen schlägt die Generalanwältin Tamara Ćapeta dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass das Recht auf rechtliches Gehör, wie es in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta zum Ausdruck kommt, im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Der Gerichtshof müsse daher das Urteil des Gerichts aufheben, das Vorbringen von Zippo zum Recht auf rechtliches Gehör zurückweisen und die Rechtssache zur Entscheidung über die übrigen Klagegründe an das Gericht zurückverweisen.

Hierzu führt Generalanwältin Ćapeta aus, dass das Recht auf rechtliches Gehör, wie es sich aus der Charta ergibt, nur in einem Verfahren gelte, in dem die Verwaltung eine individuelle Maßnahme in Bezug auf eine Person trifft. Daher gelte dieses Recht nicht im Rahmen eines Verfahrens, das zu einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung führt. Der Umstand, dass eine Person von einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung individuell betroffen ist, sei insoweit unerheblich.

Schließlich ist nach Ansicht der Generalanwältin, selbst wenn es ein Recht auf rechtliches Gehör außerhalb des Anwendungsbereichs der Charta gebe, dieses Recht durch das von der Kommission durchgeführte Verfahren zur Einholung von Informationen nach der Durchführungsverordnung gewahrt worden. In einer partizipatorischen Demokratie müssten Personen, die von durch die Verwaltung erlassenen Rechtsakten mit allgemeiner Geltung betroffen sind, die Möglichkeit haben, ihre Interessen zu äußern und ihre Bedenken darzulegen. Dieses Recht auf rechtliches Gehör könne durch ein vorheriges Verfahren zur Einholung von Informationen, wie es in der Durchführungsverordnung vorgesehen ist, gewährleistet werden. Im vorliegenden Fall sei das von der Kommission durchgeführte Verfahren zur Einholung von Informationen offen und transparent gewesen. Die Tatsache, dass Zippo nicht an diesem Verfahren teilgenommen hat, obwohl sie durch eine veröffentlichte Bekanntmachung auf der Website der GD Handel darüber informiert wurde, bedeute nicht, dass Zippo die Möglichkeit genommen wurde, ihren Standpunkt zu äußern.

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