25.09.2023

Gesundheitsamt darf Nachweis für Masernimpfung fordern und Zwangsgeld androhen

Gesundheitsämter dürfen für den Schulbesuch den Nachweis einer Masernimpfung fordern und für den Fall, dass ein Nachweis von den Eltern nicht vorgelegt wird, auch ein Zwangsgeld androhen. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden.

VG Berlin v. 11.9.2023 - VG 14 L 210/23 u.a.
Der Sachverhalt:
Nach dem Infektionsschutzgesetz - IfSG - müssen Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden, über ausreichenden Impfschutz gegen Masern verfügen und dies nachweisen. Hierzu zählen u.a. Schulen. Die minderjährigen Antragsteller, eine Schülerin und zwei Schüler, besuchen jeweils Schulen im Bezirk Treptow-Köpenick von Berlin. Das dortige Gesundheitsamt hatte deren Erziehungsberechtigten zunächst auf die Erfüllung ihrer Verpflichtung hingewiesen; nachdem diese dem nicht nachgekommen waren und auch sonst keine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Immunität gegen Masern oder einer medizinischen Kontraindikation gegen die Impfung erbracht hatten, forderte die Behörde sie jeweils auf, einen Nachweis für eine Masernimpfung der Kinder vorzulegen und drohte für den Fall der Nichtbefolgung jeweils ein Zwangsgeld von 200,- € an.

Zur Begründung berief sich die Behörde auf die Gefährlichkeit der Masernkrankheit, die als hochansteckende Viruskrankheit mit schwerwiegenden Komplikationen einhergehen könne. Der Aufbau eines Gemeinschaftsschutzes sei daher wichtig und erst vorhanden, wenn mindestens 95 % der Bevölkerung immun seien. Die Eltern haben jeweils um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht; sie halten die Nachweispflicht, die faktisch eine Impfpflicht bedeute, für verfassungswidrig. Mit der Impfung gingen erhebliche gesundheitliche Risiken einher. Gegen den Willen ihrer Kinder könnten sie die Impfung nicht durchsetzen.

Das VG hat die hiergegen gerichteten Eilanträge zurückgewiesen (VG Berlin v. 11.9.2023 - VG 14 L 210/23 und VG Berlin v. 15.9.2023 - VG 14 L 231/23). Gegen die Beschlüsse kann beim OVG Beschwerde eingelegt werden.

Die Gründe:
Die mit Zwangsgeldandrohung verbundenen Nachweisanforderungen sind aller Voraussicht nach rechtmäßig. Die Bestimmungen des IfSG zur Nachweispflicht sind nicht evident verfassungswidrig, sondern im Gegenteil angesichts der Ausführungen des BVerfG in dem Beschluss vom 21.7.2022 zu nicht-schulpflichtigen Kindern (1 BvR 469/20 u.a.) mit einiger Wahrscheinlichkeit verfassungsgemäß.  

Zwar greift die Nachweispflicht in das Elternrecht aus Art. 6 GG ein. Die Regelung ist aber verhältnismäßig, weil sie - wie das BVerfG bereits zur Nachweispflicht bei noch nicht schulpflichtigen Kindern entschieden hat - einen legitimen Zweck verfolgt. Sie kann dazu beitragen, die Impfquote in der Bevölkerung zu erhöhen und damit die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Die Masernimpfung weist nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis eine Impfeffektivität von 95 bis 100 % auf und wirkt lebenslang.

Sie ist auch bei schulpflichtigen Kindern nicht offenkundig unangemessen. Der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung stehen nicht evident außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs. Das Elternrecht wird nicht als Freiheit im Sinne einer Selbstbestimmung der Eltern, sondern nur als eine solche zum Schutz des Kindes gewährt. Die Ausübung der elterlichen Gesundheitssorge hat sich daher stets am Kindeswohl zu orientieren. In der Sache sind die Aufforderungen nicht zu beanstanden.

Dies gilt auch für die Zwangsgeldandrohungen. Insbesondere liegt kein Vollstreckungshindernis darin, dass (angeblich) der Wille der Kinder entgegenstehe. Die Antragsteller haben jeweils nicht glaubhaft gemacht, dass eine dahingehende von der notwendigen Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit getragene erzieherische Einwirkung auf ihre Kinder von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Impfnachweis - Kindesrecht/Kindeswohl - Elternrecht
Dagmar Coester-Waltjen, FamRZ 2022, 1741

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VG Berlin PM Nr. 39 vom 25.9.2023
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